Dies ist meine letzte News-von-gestern-Kolumne. Da ich meinen Medienkonsum aus starkem Desinteresse auf das Notwendigste reduziert habe, weiss ich nicht mehr, was gestern in den Nachrichten war. Insofern: Blick in die nahe Zukunft. Mit dem stellvertretenden Chefredaktor der Letzten Zürcher Zeitung (der Chefredaktor selbst weilte gerade in Seoul für Gespräche über eine Medienpartnerschaft mit dem
Interessenkonflikt, Spesen- grosszügigkeit, Erbsenzählerei oder ein guter Deal für Vincenz
Die Trends bei Google-Suchanfragen sind an sich schon relativ aussagekräftig für die Sensationsgier der Schweizer Durchschnitts-Medien-Konsument*innen.. Am Ostermontag sind die Trend-Schlagworte neben Ukraine-Russland: Pierin Vincenz, Marco Fritsche und August Wick, Gletscherspalte Unfall, Traumschiff Mauritius (In dieser Reihenfolge). Noch aussagekräftiger wird das Ganze, wenn Algorithmen die häufigsten Fragen zu den betreffenden Schlagworten vorschlagen: «Was hat Pierin
«Oberstleutnant Häsler liest Meienberg»
Es wird aufgerüstet in Europa, auch in der Schweiz – buchstäblich und medial. Noch die letzte provinzielle Tageszeitung schaltet ihren Kriegs-Live-Ticker. Während Selenski von manchen als Super-Influencer abgefeiert wird (etwa im SRF Club Spezial) fiel in der Arena Spezial bereits nach 10 Minuten der Hitler-Vergleich. Putin habe die Weltordnung, die man nach dem Zweiten Weltkrieg
«Here comes your man – Pierin Vincenz, das Geld und die Frauen»
Es geht um Sex, Geld und natürlich um Macht. Pierin Vincenz, Ex-Präsident der Raiffeisen, war die letzten Wochen, neben Djokovic und Odermatt vielleicht, medial der Mann der Stunde. Nun ist der Prozess, der gegen Vincenz und sechs weitere Mitangeklagte, Ende Januar (welch schöne Ironie: im Theatersaal des Zürcher Volkshauses) begann, tatsächlich eine grosse Kiste. Schliesslich
«Das müssen sie die Epidemiologen fragen – SRF (v)ermittelt»
«Omikron-Wand in der Schweiz – Naht die Endemie?» / «Chronik eines unangekündigten Corona-Todes – SRF ermittelt» / «Reisen im Angesicht der Pandemie – Wir verraten, was Sie jetzt unbedingt wissen müssen». Nun: SRF ist längst bekannt für reisserische Titel, ausgefuchste Wortspielereien, die über fehlende Inhalte hinwegtäuschen sollen, und Stilblüten, die, wüsste man es nicht besser,
Anleitung zum Tatort
Hier für einmal eine praxisbezogene Anleitung: Wie ein gelungener Tatort funktioniert. Setzen Sie auf Frauen: Vorbei sind die Zeiten prekärer männlicher Kommissaren-Existenzen. Casten Sie Frauen. Setzen Sie auf Antagonistinnen. Blond und dunkelhaarig. Romande und Zürischnure. Good-Cop und Bad-Cop. Gefühlsduselige Profilerin und kalte Ex-Kriegs-Pathologin. Lassen Sie mehrere Frauen gleichzeitig aufeinander los. Zeigen Sie Konkurrenzkämpfe. Halten Sie
«Futterneid und Beuteverzicht – Kracht und die Schweiz»
Christian Kracht, in den Schweizer Medien gerne als «Dandy», als «Bestsellerautor aus reichem Haus», als «Kosmopolit» (TA), «Provo-kateur» und «Chamäleon» (SRF) bezeichnet, stand unlängst abermals im Zentrum negativer Schlagzeilen. Kracht hatte es gewagt, die Nomination vom Schweizer Buchpreis zurückzuziehen. Während man sich in gewissen Medien vor gut einem halben Jahr noch lauthals darüber empörte, dass
«Futterneid und Beuteverzicht – Kracht und die Schweiz»
Christian Kracht, in den Schweizer Medien gerne als «Dandy», als «Bestsellerautor aus reichem Haus», als «Kosmopolit» (TA), «Provokateur» und «Chamäleon» (SRF) bezeichnet, stand unlängst abermals im Zentrum negativer Schlagzeilen. Kracht hatte es gewagt, die Nomination vom Schweizer Buchpreis zurückzuziehen. Während man sich in gewissen Medien vor gut einem halben Jahr noch lauthals darüber empörte, dass
«Alle ausser Roger Köppel – Die wichtigsten Intellektuellen der Schweiz»
Die Schweiz hat einen Frisch-Fetisch. «Wo ist der neue Max Frisch?» fragen die Deutschschweizer Medien regelmässig und suchen eifrig nach Kandidat:innen, die Frisch (und natürlich, der zweite alte weisse Mann im Bund, Dürrenmatt) das Wasser reichen könnten. Dass Medien dann laut nach Intellektuellen rufen, wenn die Journalist:innen selbst wenig zu sagen haben, liegt in der
So simpel gestrickt wie ein Hollywood-Blockbuster – Der Fall Solothurn
Es ist ein musterhaftes Beispiel für schlechte Kommunikation von allen Seiten. Gemeint ist der «Knall» (WOZ), der sich in Solothurn, dem verpennten Schweizer Vorzeigestädtchen schlechthin, das seit über 40 Jahren geradezu anachronistisch an den Schweizer Film weiterglauben will, zugetragen haben soll. Operiert wird mit Feuerwerksrhetorik und Lynch-Meta-phern. Es ist ein gefundenes mediales Fressen: Anita Hugi
«Nüchtern betrachtet ungenügend. Hundslausig. Hundslausig.»
«Die Partie ist aus. Jetzt ist sie aus, diese Partie. Mir tun die Schweizer leid.. die Schweizer Fans tun mit leid.. alle Menschen in den Public Viewings tun mir leid.. Eigentlich tun mir alle leid.. » So kommentiert Sascha Ruefer das Ende des Spiels Italien-Schweiz, das an sich an Langweile kaum zu überbieten war und
«Wie ging es Ihnen ganz persönlich mit dem Buch?»
Wenn die Literaturkritik nicht längst tot ist, wie oft behauptet, so geht sie doch zuverlässig vor die Hunde. Und selten geschieht dies in der Schweiz auf unterhaltsamere und anschaulichere Weise als im Literaturclub des SRF. Über Literatur wird, wenn überhaupt, am Rande gesprochen. Stattdessen geht es um Befindlichkeiten («Wie ging es Ihnen persönlich mit dem
Wer hat Angst vor Greta?
«Ist das noch unsere Welt? – Ist das noch unsere Schweiz?», fragte kürzlich Ueli Maurer mit beachtlichem Pathos und lieferte die Antwort gleich mit. Nein, da laufe etwas schief, wenn man nicht einmal mehr laut sagen dürfe, was man denke, wenn Kritik nicht mehr gestattet sei, ja dass man den Leuten das Denken verbiete, man
Arsenal der starken Frauen
Kürzlich waren wir in einer Kunstausstellung und sahen uns das Video eines Künstlers an, da flüsterte mein Freund mir zu: «Auch schön, wenn es mal nicht um Feminismus» geht. Ich lachte, kniff ihn in den Arm und insgeheim gab ich ihm recht. Zumindest, wenn unter «Feminismus» das verstanden wird, was der grosse Medienzirkus unter diesem
«There is no alternative»
Gewisse Dinge ändern sich nicht. Die Neue Zürcher Zeitung, gegründet 1780, titelte kürzlich in fetten Buchstaben: «Der Kapitalismus rettet uns». «Der einzige Hoffnungsschimmer in dieser Pandemie ist offenem Wettbewerb und innovativen Unternehmen zu verdanken», schreibt der Autor und lobt die Impfstoffentwicklung als «Erfolg mit vielen Vätern»: sogar der Staat habe etwas dazu beigetragen, indem er
Blumen sind schön
Die Grauen Herren sind zurück. Maskiert und hinter Plexiglas. Sie fahren grosse Worte auf, Pathos, Kriegsrhetorik, Beschwörung der Einheit Helvetia. Und das alles live am Schweizer Fernsehen – Realsatire. Dieser beachtliche Unterhaltungswert ist wohl der Trost dafür, dass man sich mehr denn je in einen schlechten, überlangen Sciencefiction-Streifen verirrt zu haben glaubt. «Es war kein