März 1980: Bern trifft eifrig Vorbereitungen für den Staatsbesuch von Queen Elisabeth – passenderweise zum Tag der Arbeit am 1. Mai. God save the Queen! Ausserdem wird abgestimmt: über die Initiative «Trennung von Kirche und Staat», die der Bundesrat zur Ablehnung empfiehlt. Begründung: «Eine vollständige Trennung von Staat und Kirche käme einem radikalen Bruch mit der Vergangenheit gleich und hätte tiefgreifende Auswirkungen, vor allem auf die Kantone». Jesus Maria! Ausserdem mahnt der Bundesrat im Hinblick auf die Neuordnung der Landesverordnung, jeder einzelne Bürger (sic) habe seinen Beitrag dadurch zu leisten, einen Notvorrat anzulegen. Die Beschwichtigung folgt im nächsten Absatz: Solange der freie Markt funktioniere, werde man sich mit Massnahmen wie Kontingentierung zurückhalten. Gott bewahre (den freien Markt)! Über all dies drüber rieselt die Schweizer Hitparade – im März 80 mit bemerkenswertem Überhang zu seichten Calypso-Beats und locker-flockig-tropischen Xylophon- und Goombay-Tunes. Auch besonders beliebt: Italo-Pop-Schnulzen (S.O.S!) und deutscher Schlager, etwa die Single «Wie frei willst Du sein?» von Howard Carpendale, der gewissermassen einer ganzen Generation aus dem Herzen spricht.
«Du willst dich selber finden, dich entfalten / du willst dein eig‘nes Leben selbst gestalten / Jetzt zählen für dich nur noch diese Dinge / wie hat dann ein Zusammensein noch Sinn? / Du bist frei / doch wie frei willst du sein, darauf kommt es an. / Du bist frei / doch wenn morgen ein and‘rer dich will, was dann? / Du bist frei / doch wie frei, sag, wie frei willst du wirklich sein?»
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich kann der Jugend von 1980 eine gewisse (Zerstörungs-)Wut, eine No-Future-Attitüde und einen Hang zum Zynismus nicht verübeln. Piratenradios – «subversiv, intensiv, heavy sound. Radio Schwarzi Chatz. 100-104 UKW» – und Punk waren die Antwort. Im März 80 findet das Fest «Em Tüüfel ab em Charre gheit» als Protest gegen die Dreisäulen-Subventionspolitik (Opernhaus, Tonhalle, Schauspielhaus) in der Roten Fabrik statt, gefolgt von einer illegalen Party mit (musikalisch wohl nicht über alle Zweifel erhabenen) Bands wie Jack Rabbit Band, The Piranhas, Absturz. Gruppierungen wie «Rock als Revolte» und «Friiiks am Friitig» schliessen sich zusammen und fordern in einem Brief an den Stadtrat Raum für nicht kommerzielle Zwecke und Konzerte – zum Beispiel in der Roten Fabrik, die zu der Zeit weitgehend ungenutzt ist und u.a. dem Opernhaus als Lager dient. Der Stadtrat lehnt das Anliegen ab, mit dem Verweis, dass nach einem Ja zum Kredit des Opernhauses dieses nach dem Umbau, also etwa 1984, die Rote Fabrik verlassen würde. Dann könne über Mietvereinbarungen diskutiert werden. Die Pflastersteine sollten folgen. Diskutieren war gestern:
«Heult und tobt wie eine Teufelsbrut, wenn sie euch mit gespaltener Diplomatenzunge in ihre glitschige Welt des ewig argumentierenden, diskutierenden und dozierenden Rechtstaatlichkeitswahn ziehen wollen. Der grosse Müllschlucker schlürft euch alle auf, er verdaut alles, solange ihr Red und Antwort steht. Verweigert euch. Tretet sie in den Arsch…!» (Stilett. Gehobene Makulatur. Nr. 58. Undatiert)