Vinzenz Leutenegger, 24, hat zusammen mit Daniel Holler, 24, im Rahmen der Abschlussarbeit seines Interaction Design-Studiums an der ZHdK die Plattform votetandem.org entwickelt. Die Idee dahinter: Nicht-Stimmberechtigten eine Stimme geben. Votetandem funktioniert folgendermassen: Die stimmberechtigte Person registriert sich für ein Treffen auf der Webseite. Menschen, die nicht abstimmen dürfen, können sich dort jemanden aussuchen, Sie vereinbaren ein Treffen, diskutieren zusammen und die stimmberechtigte Person füllt am Ende die Unterlagen aus.
Miriam Suter
Vinzenz, woher kam die Idee zu votetandem.org?
Vinzenz Leutenegger
Wir haben uns gefragt, was wir als Designer zum politischen Geschehen in der Schweiz beitragen können. Unser Ansatz ist anders als der von Politikerinnen oder Aktivistinnen, vielleicht ein wenig mehr auf die Praxis ausgerichtet. Damit wollen wir aber nicht die wichtige Arbeit von Politikern und Aktivistinnen schlecht reden. Die sind vielleicht wichtiger als wir. Wir haben nach alternativen Möglichkeiten zur Partizipation an der Politik gesucht, haben dann Prototypen zur Zugänglichkeit entwickelt und bemerkt, dass ein riesiger Teil rechtlich von Abstimmungen und Wahlen ausgeschlossen ist, aber ein anderer, grosser Teil von Stimmberechtigten kein Vokabular oder Selbstvertrauen hat, sich politisch auszudrücken. Diese zwei Menschengruppen wollten wir zusammenbringen.
MS
Wer nutzt euer Angebot?
VL
Meiner Meinung nach gibt es zwei Arten von Teilnehmer*innen: aktive und passive. Aktive melden sich an, nehmen teil, Passive schauen von aussen zu und bilden sich eine Meinung. Das Thema Wahlrecht in der Schweiz wollten wir so zugänglicher und direkter gestalten. Wir machen ein abstraktes politisches Thema konkret, verständlich für eine breite Masse und binden damit auch die ausländische Bevölkerung mit ein.
MS
Was, wenn man beim Gespräch merkt, dass man nicht auf der gleichen politischen Wellenlänge ist?
VL
Man muss seine Stimme nicht abgeben. Auf der Plattform weisen wir darauf hin, dass beide Seiten jederzeit aussteigen können. Das ist sehr wichtig. Man hat also auch selbst die Freiheit, wie man das im Gespräch handhabt, und niemand wird gezwungen etwas zu tun, was die Person nicht möchte.
MS
Wieviele Leute nutzen votetandem?
VL
Im Moment sind es noch nicht so viele. Die Stimmzettel für dieses Jahr sind aber auch noch nicht raus – ich hab sie zumindest noch nicht erhalten – und wir müssen zuerst ein wenig mehr Aufmerksamkeit erhalten. Ich kann leider nicht genau sagen, was für Leute die Plattform benutzen – wir speichern bewusst keine Daten zu den Personen.
MS
Welches Feedback erhaltet ihr auf euer Projekt?
VL
Klar, unser erweiterter Freundeskreis findet es toll. Wir merken, dass Menschen ohne Schweizer Pass sehr interessiert an unserem Projekt sind. Sie haben wirklich den Drang mitzumachen und freuen sich extrem darüber, eine neue Möglichkeit zur politischen Teilnahme zu haben. Interessant finde ich, dass sich politische Organisationen sehr für uns interessieren und wir von Daniel Graf an das Demokratie Festival eingeladen wurden. Das gibt mir das Gefühl, dass unsere Message und unser Projekt anerkannt werden, nicht nur von Leuten, die uns nahe stehen. Unser Projekt trägt zur Meinungsbildung bei und mich freut es sehr, dass es von anderen Seiten verstanden wird, obwohl es innovativ ist. Das ist etwas, was wir mehr machen wollen, weil sich die meisten Designer*innen in der Politik im Campaigning ansiedeln.
MS
Auf votetandem können sich auch minderjährige Schweizer*innen registrieren, die eigentlich noch nicht abstimmen und wählen dürfen.
VL
Es sind wohl weniger Minderjährige, die die Seite nutzen. Vielleicht, weil die nicht so einen langen «Leidensweg» hinter sich haben wie Menschen, die schon lange in der Schweiz leben, aber nicht abstimmen können.