Nun, da Lockdown und Sommerloch durch sind und die Zürcher Museen und Theater – sofern sie es sich leisten können – langsam und behutsam wieder ihre Türen öffnen, darf man sagen: die Achtziger Bewegung ist gewissermassen dort angekommen, wo sie nie sein wollte: in der Mitte der Gesellschaft. Das Museum Bellerive eröffnet im September eine von mir mit-kuratierte Ausstellung zur Bewegung, das Theater Neumarkt bringt «Züri 80» auf die Bühne, ein Buch über die Rote Fabrik erscheint und so weiter. Etwas ketzerisch könnte man sagen, die Eventstadt Zürich verdanke sich und ihr kulturelles Kapital der «Bewegig». Selbstkritisch hat die «Bewegig» diese Dynamik bereits vorweggenommen, etwa in einem Flugblatt des Buchladens Paranoia City von 1980:
«Wenn das so weitergeht und es geht so weiter, solange diese Bourgeois […] in dieser Stadt bestimmen, was Kultur ist, wird im Zürcher Kunsthaus in 50 Jahren vielleicht einmal eine Ausstellung über die späten 60er und 70er Jahre stattfinden, versucht man dann für viel Geld Zeitschriften wie Hotcha und Stilett zu kaufen, sucht die vielen hiesigen Punk-Fanzines zusammen, stellt unter anderem auch Alibabas und H.R. Bosserts Sachen aus, zeigt Hasslers Film Krawall, dokumentiert den Kampf der Zürcher Jugend um ein autonomes Jugendzentrum vom Globus über den Bunker bis zum Schigu, Rote Fabrik und Limmatstrasse, präsentiert die Aktionen gegen die Sterilisierung Zürichs, die Strassentheater und archiviert Flugblätter und
Wandzeitungen der Zürcher Stadtindianer […].»
Mit viel Selbstironie zeigt auch der folgende kurze Text aus dem Zine Stilett, dass sich die Bewegung der Mechanismen der Vereinnahmung durch die etablierte Kultur durchaus bewusst war:
«Die vier schönsten Farbbeutel und die zwei Dutzend teuersten Eier der ruhmreichen Geschichte Zürichs werden im Labor des Landesmuseums selbstverständlich auf Staatskosten restauriert. Es ist noch nicht entschieden, ob man sie vergolden will oder nicht. Die Farbbeutel haben stark gelitten, aber man wird den Beschiss schon hinkriegen. Man muss schliesslich der Jugend zeigen, was Kultur ist […]. Mit den Gummigeschossen wurde am Samstag bereits Souvenirhandel getrieben: Preis Fr. 5.–. An einer Zivildienstübung zählte man bereits 8 Leute, die das Gummiding als Halsanhänger verwendeten.»
Selbst das, was im Gestus auf die Zerstörung der (etablierten) Kultur und das sie strukturierende Kapital abzielt, wird irgendwann von ihm annektiert und für ihre Zwecke verwertet. Was neu ist, anstösst, mit alten Regeln und Werten bricht, wird irgendwann selbst kanon- und
konsensfähig. Was sich gegen Institutionalisierung wehrt und gegen Musealisierung sträubt, wird irgendwann gerade deshalb reizvoll für Kurator*innen, Kulturmanager*innen und Konsument*innen, also für uns.
Man kann nun resignieren, zittern heulen, Zähne klappern: Züri brännt nicht mehr, Dada ist tot, Punk ist tot. Alles Kommerz: schön, tot und harmlos. Oder man kann feiern, dass alles ein Ende hat und Platz für Neues schafft und darauf hinarbeiten, dass eine Ausstellung in 50 Jahren über unsere Gegenwartskultur überhaupt noch irgendjemanden ins Museum und Theater lockt.