Versuch einer Antwort auf Schau zurück in Liebe von Hadayatullah Hübsch (Verstreute Gedichte I, Gonzo Verlag, Mainz 2012)

Der Weg war dein Ziel
mein unerschrockener Freund
ihr wolltet rein sein
und unschuldig
auferstehen aus Ruinen
wie Phönix aus der Asche
strahlend dem Morgen entgegen
auf der Suche nach dem Gral der ewigen Wahrheit
gelenkt
erleuchtet
befreit
durch
Gott

aber das Ziel ist meist im Weg
Tag und Nacht unterscheiden sich
einzig durch ihre Lichtverhältnisse
ist es nicht an der Zeit
Gott die Lizenz zu entziehen?

auf welcher Seite stehen wir?
und ist es nicht immer die falsche?
all diese Entscheidungen
selbst bei Steppenwolf die Qual der Wahl

Das Leben eines jeden Menschen
ist ein Weg zum eigenen Ich *1

will man das kennen, dieses ICH?

Like a true nature’s child
we were born, born to be wild
we can climb so high
I never wanna die *2

Orient und Okzident
Garten Eden
Rand der himmlischen Steppe
Schrebergarten der Sündigen
Amen
Om
In schā‘ Allāh 

wenn du nach San Francisco gehst
vergiss nicht die Blumen im Haar
muss ja nicht das Haupthaar sein
dort gab es einst blühende Landschaften
zwischen den Schenkeln der Mädchen
und berstende Meere
in den Lenden der Männer
Flausen
und
Revolution
in
den
Köpfen

wo ist die Oase
zu der wir alle auf lahmen Kamelen
durch unsere innere Wüste wackeln?

Fata Fata Mor Fata gana

du spieltest mit dem Teufel Schach
doch der legt mit debilem Grinsen
seine Bauernopfer flach

gut und schön
das Reden über Gott und die Welt
aber beide lieben?
das hast du besser hingekriegt als ich

über mir Walter, Erich, Margot, Egon
über dir Helmut und Allah
da hätte sich ein Tausch nicht ausgezahlt
für keinen von uns

Vagabunden
Trabanten
Troubadoure
wo sind sie geblieben?
der ewige Trip ist abgebrochen
wie ein coitus interruptus
Paranoia lohnt sich nicht mehr
CBD kein THC
Ingwertee statt LSD

nicht mal mehr die Umarmungen blieben uns
in diesen virenverseuchten Zeiten
Klimawandel und political correctness
alles rutscht:
Berghänge
Börsenkurse
politische Gesinnungen

One pill makes you larger
and one pill makes you small
and the ones that mother gives you
don’t do anything at all
remember what the Dormouse said
feed your head, feed your head *3
High Noon in Handleyville
und Vollmond über Manhattan
designierte Überlebende
einer untergegangenen Insel

We must leave before the clock strikes twelve *4

wann kommt denn nun die Zeit der Ernte
der Früchte unserer guten Werke?

der Morgenröte Strahlen
nährt sich von Abendrots letztem Schein

kein Grund zu verzagen
das Feuer in uns ist nicht tot
es schläft nur den Schlaf der Ger/ä/e/chten

in der blauen Stunde
unserer Seelen
weht ein sanfter Wind
zu schwach
um es nochmal anzufachen?

I was a clever child
I was never wild . . .
I’m a thinker, not a feeler
I don’t deal with issues
I just call my dealer *5

streben wir nach dem Unendlichen
dem Wunderbaren
und
geben
uns
mit
nichts
Geringerem
zufrieden

statt Klopapier horten

SURSUM CORDA – EMPOR DIE HERZEN!




*1 Zitat von Hermann Hesse
*2 Steppenwolf, «Born to be wild»
*3 Jefferson Airplane, «White Rabbit»
*4 Steppenwolf, «Desperation»
*5 Chilly Gonzales, «Crying»

Susann Klossek, Autorin, Journalistin, Bloggerin und Künstlerin. Stammt aus Leipzig, lebt seit 1990 in der Schweiz, heute in Thalwil. Gilt als weiblicher Bukowski der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Zuletzt erschienen ihr Indien-Rezital «Varanasi – Endstation Ganges» (Gonzo Verlag, 2020) und ihre politisch fantastisch inkorrekten Verse im «Tut-Tut-Magazin» #13 (Köln 2020).

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