Fatima Moumouni und Laurin Buser gastieren mit ihrer Show «Gold» in der Roten Fabrik. Als Team «Zum Goldenen Schmied» gewannen sie dieses Jahr die Schweizermeisterschaften im Poetry Slam. Reden ist Silber, «Gold» ist Gold: Lyrik, Rap, Stand-Up, kritische Talks – es ist für alle etwas dabei, die Wertschätzung für den Schmuck der Sprache teilen.

Für die Fabrikzeitung haben die beiden miteinander gechattet.

L: Yau? Bist du da?
F: Ja! Also «da» ist relativ in der Onlinewelt, bin in Peru!
L: Ich weiss, dass du in Peru bist.
F: Ja, aber die Leute ja nicht!
L: So und wir müssen jetzt uns selber interviewen oder was?
F: Sehr selbstreferenziell!
L: Können ja über was anderes reden als uns selbst. Sonst sind wir wie die Person, die wir in unserem «Selfcare»-Text dissen (btw. eleganter, selbstreferenzieller Querverweis zu unserer Show).
F: Ich weiss ja nicht, wen du im Selfcare-Text disst. Aber ich sitze gerade in Peru mit meinem Rucksack und esse Avocados und ab und zu mach ich Yoga.
L: Ha, aber nur zu Recherche-Zwecken, oder?
F: Ja voll, ich beobachte die SchweizerInnen vor Ort. Sonderbare Spezies.
L: Du beobachtest also jene, die wir im Selfcare-Text dissen. Und machst dabei dasselbe wie die. Aber bei dir ist irgendwie anders ne?
F: Ja! Ich schwöre, ich bin anders! Hab den Rucksack sogar im Koffer versteckt, damit ich nicht wie eine Backpackerin aussehe!
L: Das klingt jetzt, als wären Backpackerinnen unsere ärgsten Feindinnen.
F: Nein! Der Kapitalismus ist unsere ärgste Feindin! Übrigens: Es gibt hier mehrere Arten Avocados! Voll schade, dass wir die nicht auch in der Schweiz haben. Alle goyl!
L: Aber was reimt sich auf Avocado?
F: Sadomaso? Planlos?
L: Im Selfcare-Text kommt doch ein geiler Reim vor…
Ahhh: Nahtod!

Doch es grenzt schon fast an Nahtod /
Hast du am Morgen keine Avocado

F: Barho– /
cker
L: Barhocker reimt sich NICHT auf Avocado!
F: DOCH! Kommt auf die Betonung und die Silbentrennung an!

Ich ritz ein X in meine Avocado /
und sitz verschmitzt auf einem Barho- /
cker…

L: Also wenn dann Barklo.
Du sitzt verschmitzt auf dem Barklo.
Aber so oder so: Warum verschmitzt?Benutzt du das Wort auch wenn grad kein Reim da ist?
F: Ja! du kennst mich, ich schau immer verschmitzt, wenn ich krass reime!
«ritz n x, sitz verschmitzt» reimt sich so krass, dass es schon fast langweilig ist!

Ich bin avantgarde, yo /
reim barho- /
cker
auf Avocadooooo /

Puh.
Man merkt, dass ich noch in den Ferien bin.

L: BIST DU BEKIFFT?
F: NEIN! Ich kiff nicht in den Ferien.
L: Ich nehm mir auch immer nur wenig mit in Urlaub.
F: Was?! Du schmuggelst Gras? CHECK your privilege…
L: Also… schmuggeln… so ein Räuchi halt.

F: Noch nie kontrolliert worden?
L: Ich reise generell im Anzug.

F: HAHAAA DU MEINST DU REIST GENERELL WEISSSSSSSSSSSSSS

L: Hip hop!

F: So. Bist du fit für die neue Säsong?
L: Ja, hatte grade ersten Auftritt. Aber hab den Laptop liegen lassen auf der Bühne und jetzt aufm Heimweg.
F: OU naii! Das ist ja doof.
Oder: Du bist ja doof 😀
Wo war der Auftritt?
L: Winthi. Und hab auch vergessen anzusagen, das wir dort bald spielen im Albani mit «Gold».
Winti mein ich.
Man darf nicht Winthi sagen.
F: Hah! Ich schreib immer Winthi
Sprechs inzwischen auch so aus: «Wint-hi»
L: Ja, aber es heisst ja nicht Winthertur.
F: Ja, aber wenn man Winti als «Winthi» abkürzt, denkt man daran, dass im unabgekürzten Wort irgendwo ein «h» hingehört! Eine orthographische Krücke!
L: … aber falsch!
Egal, wir sollten wenigstens hier den Leuten unsere Show noch etwas schmackhaft machen.
F: Was liest du gerade, Laurin?
→ unsere Show ist auch super kultiviert.
L: «Das Leben des Vernon Subutext» von Despentes.
F: Oh! Gefällt es?
L: Ja ist geil, hat mich gut reingezogen.
Ogott, wie das klingt. Kann ich gleich «süffig» sagen. (Aber ich will nicht das Wort «süffig» sagen, das ist grösstes Unwort, um Literatur zu beschreiben.) Aber ist schon süffig.
F: Süffig. Das klingt widerlich.

L: Ja voll. Aber irgendwie finde ich, das beschreibt eigentlich sehr gut, was es heisst: Dass man gut reinkommt, leicht drin versinkt.
F: Wie ist unsere Show?
L: Beides!
Süffig und schwer zum inecho.
Will het fast kei Tickets me.
F: Naja. Gibt ja noch genug andere Auftritte.
Zum Beispiel in Österreich
oder Rapperswil.
L: Ja, aber stimmt auch gar nicht, hat noch gut Tickets.
F: Schad. Ha dänkt mir wechslet etz id unübersichtliche Wält vom uf Schwiizerdütsch schriebe.
Hast du eigentlich das Gefühl, dass dein Schweizerdeutsch schlechter wird, je länger du in Hamburg wohnst?
L: Ich fang im Schwizerdütsxh jetzt eifach mega komischi dütschi Formulierige avo mache
F: ICH HAB IM DEUTSCHEN ANGEFANGEN KOMISCHE FORMULIERUNGEN ZU BENUTZEN SEIT ICH HIER LEBE
L: Grillieren statt Grillen
F: Schweizerdeutsch macht mein Hochdeutsch kaputt!
L: Parkieren statt Parken
F: Es nimmt mich wunder
L: Das der beste!
F: Meine Güte, bin inzwischen schon mega oft komisch angeschaut worden wegen meiner Helvetismen. Die Leute haben ja keine Ahnung, wo das herkommt und denken dann einfach, ich kann kein Deutsch.
Hallo?
HALLO!
NOCH DA?
L: Jaa
Velofahre
2min
F: Don‘t type and drive!
Das ist gefährlich.
Hallo?

L: Hey, Fatima, was liest denn du?
F: Viel zu viele Bücher mitgenommen!
«GRM» von Sibylle Berg
«Hier ist noch alles möglich» von Gianna Molinari
«Vulva» und «Vergewaltigung» von Mithu Sanyal und «Postkoloniale Schweiz – Formen und Folgen eines Kolonialismus ohne Kolonien», herausgegeben von Patricia Purtschert, Barbara Lüthi und Francesca Falk…
Sorry, musste gerade durch die Wohnung rennen und schauen, dass ich alle Namen richtig schreibe.
Die Bücher sind in der Wohnung verteilt und ich wähle nach Standort, was ich lese.
L: Du liest nur Frauen.
Hab ich mir auch vorgenommen.
Nachholen, was in der Schule ausgelassen wurde
F: Stimmt! War gar keine Absicht.
Sind einfach interessanter, haha.

L: Hast du eigentlich nach dem Blick-Interview viel Hate bekommen?

F: Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wie viele Leute das gehated haben, habe mir vorgenommen, keine Kommentare unter dem Artikel zu lesen.
L: Gute Idee.
Ich glaub die Kommentarfunktion hatten sie sogar deaktiviert.
F: Ich glaub, inzwischen ist die Kommentarfunktion offen.
L: Oh oh.
F: Ich hab auch gesehen, dass die NZZ bei einer Ankündigung für die Auftritte beim Theaterspektakel die Bezeichnung «Provokative Kämpferin gegen Rassismus» vom Blick-Interview
übernommen hat.
L: Ok, provokative Kämpferin wird auch bei der Show in der Roten am Start sein.
F: Haha
L: Gütesiegel NZZ
F: Stimmt, bei uns gibt es keine erhobenen Zeigefinger, nur erhobene Fäuste
L: Blickgeprüft
F: Mittelfinger auch?
L: Mittelfinger erst recht.
Bis bald, ich fröimi
Und schrib zwüschedurre moll wies goht!
Nämmt mi wunder.
F: Isch das es «Ciao Fatu, bis gly!»?Sehr abrupt! Ist dein Joint etwa fertig?
L: Wann treffen wir uns zum Üben?

F: ICH BIN IM URLAUB. Wenn ich zurück bin.

L: Wir sind freischaffende KünstlerInnen, wir haben keinen Urlaub.

F: Ich weiss. Ich arbeite gerade auch nur an einem Selbstversuch für einen Text über Urlaub. Stör mich nicht.

Fatima Moumouni und Laurin Buser treten am 28. September im Clubraum der Roten Fabrik auf.

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