Ein minderjähriges Model hängt in New York mit Rap-Legenden rum – und eine neue Karriere beginnt. Die Tracks der US-amerikanischen Rapperin Chynna reflektieren ihr bewegtes Leben. «Verstörende Ehrlichkeit», meinen manche. Chynna selber schreibt ihre Musik für «wütende Menschen, die zu stolz sind, um zu zeigen, wie wütend sie wirklich sind».

I don’t do drugs no more
I don’t do drugs no more
Or not the ones I got caught for (wink)
Not the ones the block hot for
Sell em off and then I cop more
Sell all up and then I stop short
Gotta hold a central park flow
Passin out a pack of newports
Trigger in your innermost thoughts
Triggers on the end of his shots
Niggas gettin witness on god

And any other nigga get robbed (pop)
Any other nigga been gone (stop)
Any other niggas dead wrong
Ah and they stealin’ my songs
And I ain’t even been here long (nah)
Go on let me rock let a muthafucka rock
Give your favorite chance a rubber have it go pop
Shoulda been a different nigga now I got your job

(«IDDD», 2019)

Es gibt Orte, an denen DJ’s angewiesen werden, ausschliesslich fröhliche Musik zu spielen. Stücke mit Pepp und lüpfigem Groove. Nichts soll der guten Laune im Wege stehen. Tun sie dies nicht, wird erstmal die Lebensader gekappt: Der Barnachschub fällt aus. Bestellung um Bestellung versandet, Handzeichen werden ignoriert. Versteht der DJ die Message immer noch nicht, wird er mit tödlichen Laserblicken durchbohrt. Hält die Verfehlung auch dann noch an, muss der Abendverantwortliche aktiv werden: Kumpelhaft reicht er dem fehltrittigen Dienstleister einen Versöhnungsdrink, klopft ihm auf die Schulter und sagt ihm dann mit ganz viel Charme: «Definitiv coole Musik! Gefällt mir echt gut. Höre ich zuhause ständig. Nur eine kleine Bitte: Könntest du ab jetzt ein bisschen fröhlichere Tracks spielen? Ein paar Gäste wollen tanzen.»

Die Musik von Chynna wäre in dieser Situation ein herrlicher Brandbeschleuniger. Die 24-jährige Rapperin aus Philadelphia macht Rap, der sich einen Scheiss darum schert, was der Dienstleistungssektor gerade für musikalische Untermalung bevorzugt. In ihren Stücken herrscht ästhetisierte Morbidität. «Ich finde, es gibt schon so viele Soundtracks zu unserem Leben», sagte sie 2016 am Rande des SXSW Festivals in Austin, Texas in einem Interview. «Ich brauche Musik zum Sterben.» Statt an Partyhymnen orientiert sich Chynna Rogers, wie sie mit bürgerlichem Namen heisst, lieber am Werk von Alfred Hitchcock.

Ihr Leben hat schon ein paar Achterbahnmomente hinter sich: Mit vierzehn Karriere als Fotomodell und Vertrag mit Ford Models, mit achtzehn drogensüchtig, mit einundzwanzig im Entzug, mit zweiundzwanzig stirbt die Mutter, im gleichen Jahr schreibt sie mit «Seasonal Depression» ihren meistgestreamten Track. Irgendwann zwischendrin lernt sie den inzwischen an einer Überdosis verstorbenen A$AP Yams vom A$AP Mob aus Harlem kennen. Sie bewirbt sich bei ihm als Praktikantin, stattdessen ermuntert er sie zum Rappen. Die aufgestaute Wut im Bauch findet endlich ein Ventil.

2013 erscheinen erste Tracks, 2015 die EP «I’m Not Here. This Isn’t Happening», ab 2016 steigen die Views der Clips. Wer über Chynnas Musik stolpert, hält inne: Das klingt nicht wie herkömmlicher Trap, das klingt schon gar nicht wie die weiblichen MC’s, die in den letzten Jahrzehnten in den Charts aufgetaucht sind. Chynna scheint in vielen ihrer Stücke Selbstgespräche zu führen. Sie scheint sich mal zu bestärken, dann wieder in düsteren Gedanken zu suhlen oder sich komplett absinken zu lassen wie in einem blubbernden Moor.

Die Verse sind hervorragend gelegt, wirken oft wie Atemzüge, wie Gedankennotizen, wie Reminder, mal ganz abgehakt, mal länger verkettet. Immer ganz bewusst gesetzt, und nie strauchelnd. In den Videos sieht man sie mal vor der bröckelnden Kasinokulisse von Atlantic City oder in heruntergekommenen Motels. Das hat was von Hyperrealismus, von Zoom, von vollem Fokus. Will heissen: Sie sind dem Leben dann doch näher als dem Tod.

I won’t lie, I won’t hit you
I won’t ask what’s on yo mind
I won’t kiss you, I won’t pick up every time
I won’t miss you, I won’t wanna make you mine
I get drunk, I get twisted
I get by
I got demons, I got reasons why I lie
I be tweakin’, I be screamin’ every night
You my baby, You my nigga
You my life
You my passion, You my poison
You my high

[Verse 1]
Rollin’ the dice all the time
I almost die all the time
Showin’ the ice all the time
Question my life all the time
Took by the pint, regular
Took with the knife, jugular
You wanna fight, right?
You want this life, right?
I do what I like, bitch
Made you excited
Still too defiant, and
Still get too violent
Bruises too violet
And let that remind ya
So what is the night ya?
You ain’t suave

[Chorus]

[Verse 2]
Rollin’ the dice all the time
I almost die all the time
Showin’ the ice all the time
Question my life all the time
Took by the pint, regular
Took with the knife, jugular
You wanna fight, right?
You want this life, right?
I do what I like, bitch
Made you excited
Still too defiant, and
Still get too violent
Bitches too violent
And let that remind ya
So what is the night ya?
You ain’t suave
(«Seasonal Depression», 2017)

Adrian Schräder ist freier Journalist und arbeitet regelmässig für die NZZ, Das Magazin oder das Bieler Tagblatt.
Chynna tritt am Freitag, dem 13. Dezember um 21 Uhr zusammen mit der italienischen Rapperin Priestess in der Aktionshalle der Roten Fabrik auf.

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