Hier findet gerade ein Umbau statt. Meine hochstaplerischen kolumnistischen Fähigkeiten werden abgeworben von einer Zeitung, die auch tatsächlich gelesen wird – Augen, die diese Zeilen sehen und deren Brauen nun hochschnellen: Hallo! Juhu! Grüsse! Underground!

Die Sonnenseite dieses Transfers ist strahlend: Wir dürfen hier nun jeden Monat die Kolumne von Anaïs Meier präsentieren. Die fettige Seite der Münze ist die Konsequenz davon, wenn man plötzlich andere RedaktorInnen als sich selber hat: Themenvorgaben. So liess die Redaktion verlauten, ich könne mich dann zum Beispiel mit Haaröl beschäftigen. (Was ist das überhaupt? Ich denk dabei unwillkürlich an eine Dose Fisch neben einer Flasche Lebertran.) Was ich jedoch deutlich unterlassen solle: Schreiben über einen körperbetonten, typischen Frauenalltag.

Das kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Eine Menstruationskolumne muss her! «Dann spielen wir Werwölfe» – Charlotte Roche soll stolz auf mich sein.

Mein geschätzter Wegvortrampler Etrit Hasler würde sie titeln: «Bleeding through the month with Steinbeck». Ich liebe es! Endlich kann ich in aller Öffentlichkeit und Ausführlichkeit ausbreiten, was mich als typische Frauenkörperfrau den lieben langen Tag so in Beschlag nimmt: Bluten, Leiden, Basaltemperatur. Geschwollene Brüste, Gebärmutterschleim, Mansplaining, PMS, Lippenbotox, Lohngleichheit, eingewachsene Haare. Eierstockzysten, Fingerschminken, Haaröl. Und hat eigentlich schon mal eine dieses elektrische Wundergerät gegen Werwolfschmerzen probiert?

Dabei hätte ich eigentlich noch so viel zu erzählen. Aber für die Frauenfrage bin ich bereit, Opfer zu bringen. Heisst: Haaröl kaufen und mich darauf besinnen, was mich als Frau anscheinend so ausmacht – und was sich nicht schickt in der Zeitung zu drucken. Leider wird mich das so hysterisch machen, dass ich dafür mit dieser Kolumne pausieren muss. Ich werde sie vermissen. Sie war meine monatliche Erinnerung daran, dass ich eigentlich ein bohemisches Leben führe. Wenn mein toporganisierter Kalender jeweils anzeigte, dass wieder einmal Kolumnenzeit war, verliess ich für eine halbe Stunde mein neoliberal produktionssüchtiges Mindset und Atelier. Ich ging spazieren und das Draussen inspizieren. Da passieren Sachen! Ich schloss Freundschaft mit einem Hoponhopoff-Busticket-Verkäufer und wurde von einer wilden Frau als Mignotta beschimpft und angespuckt – zweimal.

Es lohnt sich also, auch mal das Macbook zu schliessen, einen anständigen BH anzuziehen und vielleicht Schuhe, um auf der Strasse herumzulaufen. Leuten zu winken. Schweizerisches Kulturgeld zu verteilen. Auf den Bus zu warten. Den Wind an den schlecht (ok: nicht) epilierten Beinen zu spüren. Was man halt draussen so macht.

«Wie lange dauert deine Dolce Vita noch?», schreibt ein Freund aus Zürich, dem ich gerade per Whatsapp das Foto eines echt widerlichen echt italienischen Dreiecksandwiches geschickt habe. Ich tippe im Laufen und stolpere über eine Stufe: «Für immer!»

Ist doch so: La Vie de la Bohème forever.

Geniesst den Sommer. Gönnt euch einen kleinen Sonnenschaden.

Alla prossima!

Michelle Steinbeck ist Autorin und Redaktorin der Fabrikzeitung.

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