oder
Yugo, oh, Yugo, oh, you go?
– I can’t go
aber vor allem
Antwort an Crnjanskis «Ithaka und Kommentare», dem Kapitel APOTHEOSE (und ein Dankeschön an diesen hausgemachten Helden und allen hausgemachten Helden, bitte gebt den Helden keine Seriennummern, wenigstens ihnen nicht, es ist ja sonst alles mit Seriennummern versehen)
Regieanweisung: Falls Sie kein aus Exjugoslawien stammendes Menschlein sind, dann sollten Sie wenigstens wie eines aussehen – was das heißt, scheinen andere Menschlein hierzulande zu wissen. Ich weiß es nicht, wenden Sie sich an sie – und sonst sollten Sie auf alle Fälle wie eines sprechen können. Bier (Jelen – falls Sie Zajecarsko oder Lav finden, dann das, es schmeckt etwas besser) und eine Flasche Rakija ist wichtig (Quitte oder Zwetschge. Das Publikum soll mittrinken. Die Bühne muss nach Alkohol riechen. Macht es, wie es die feiernden Burschen in den «Kafanas» machen, trinkt das sogenannte «Podmorska» (Unterwasser): ein Schluck Rakija, dann einen Schluck Bier). Man sollte den Geruch von hochgeistig alkoholhaltigen Ausdünstungen riechen, wie bei so manchem Busfahrer aus der oben genannten Region. Lernen Sie das Lied «Dunave, Dunave, moje more», am besten die Version von Cune Gojkovic, weil er international unterwegs ist, und hören Sie es mehrfach und seien Sie auch dabei betrunken. Das drainiert schließlich auch ein wenig das eigene Gehirn.
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Meine Damen und Herren
Ein betrunkenes Glas auf den Balkan, živeli! Voll von Bitterkeit! Auf verdreckte, speichelgefüllte letzte Schlucke! Auf… bis zum Morgengrauen! Auf Morgenstern und Morgenrot, dessen Dunkelgelb, mag es Rakija oder Bier sein, dessen hellorange mir gelber erscheint als jeglicher Morgenurin, živeli!
Auf Gerstengelb, Ziegelsteinrot und halbfertige Häuser. Es ist nach acht Uhr, lasst mich einen neuen Trinkspruch ausbringen. Verschütte ich die Rakija oder das Bier auf Eurem weißen Tischtuch, so bleibt darauf das Gelb der unzähligen Kornfelder. Verschütte ich es, so wird das weiße Tischtuch riechen wie der Regen auf den Feldern, die sie vernachlässigen, die aber trotzdem aufgehen und hervorbringen und sie stopfen, živeli!
Meine Damen und Herren ihr habt auf alles getrunken…
und noch ein betrunkenes Glas auf meinen Balkan, živeli!
Ich trinke auf den Erfolg meines Freundes Milan! Los! Hoch damit! Seinen Studienabschluss. Auf Milan Bogojevic! Auf den letzten Oktober. Auf sein Zimmer, živeli!
Sie wissen ja, wie es ist in so einer ehemaligen Kriegsregion. Jede und jeder hat da so eine Geschichte. Dieses Glas trinke ich auf einen gebeugten und nutzlosen Studenten, auf meinen Freund, Milan Bogojevic, den Gefeierten im Juni zum Abschluss, der sich erschoss in seinem Zimmer.
Eigentlich das Zimmer seiner Eltern. Der Teppich war frisch gewaschen, wie dieses weiße Tischtuch. Und unter ihm gelb, orange und rot und Perser ergab einen schwarzen Fleck! Wie diese Flecken meines betrunkenen Biers. Meine Damen und Herren, das erste Glas auf den Erfolg meines Freundes. Des Studienabgängers Milan Bogojevic, Gefeierter im Juni zum Abschluss, an der Universität Belgrad und auf sein Endergebnis, auf den letzten Oktober, živeli!
Meine Damen und Herren, dieses Glas auf seine Mitteilung, die niemand fand, die er niemandem hinterlassen hatte. Dieses Glas auf Danilo Kis, seinen Lieblingsautor. Auf seine Bücher, die er auslieh und auslieh bis er sich eines leisten konnte, das aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag. Dieses Glas auf Belgrad, meine hochgeachtete Stadt, meine Angebetete, meine einfache, meine primitive, meine edle, meine hochgeachtete Geliebte. Auf meinen Geliebten! Auf meinen geliebten Milan! Dieses Glas auf Belgrad, von dem er allen erzählte, es sei die schmierigste Stadt der Welt.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen näher kommen!
Auf den Erfolg jedes ehemaligen, wohlgenährten Gastarbeiters für den Milan sein Bett räumte. Auf die Kultur der Gastarbeiter: Ziegelsteinrot und auf mein Geld, mein Geld, und dein Pech! Meine Damen und Herren! Dieses Glas auf die Gastarbeiter, es ist Urlaubs- und Jagdsaison auf dem Balkan. Auf Mercedesstern, schwarzes Leder und nostalgische Klingeltöne. Auf ihre Busfahrten «nach unten» und ihre Fracht, auf ihre Betonmischer und den Bodensatz, ich trinke auf die braune Spitze eines Zuckerwürfels, der am türkischen Kaffee saugt und auf den Kaffeesatz, aus dem eine Analphabetin liest. Dieses Glas auf die Gastarbeiter, die am Telefon fragen: «Braucht ihr etwas? Ich schicke euch Geld!» Ich trinke auf ihre Knieprobleme, auf jeden einzelnen Ischiasnerv, Hüftprobleme, Hühneraugen, Diskusnerven und ihr gekrümmtes Rückgrat, vielen Dank, ich danke euch! Ich will hier keinen vergessen.
Meine Damen und Herren, ein Glas auf den letzten Feldzug in Europa, živeli! Sie haben ihn ja nicht angezettelt! Aber trotzdem: Auf die Nachwirkungen.
Ein Hoch auf Milans Onkel, jeder hat einen Onkel und wer keinen Onkel hat, der soll ihn durch eine beliebige Tante ersetzen! Auf den Onkel, auf den hochgeschätzten Mathematikprofessor aus Sarajevo, Bosnien und Herzegowina, Hercegbosna, schluckt es wie ihr wollt. Dieses Glas auf seine Universität und seine Studenten, in die er die Funktionen reinprügelte und welche dann prügelnd funktionierten. Die auf seinen Hinterkopf urinierten im Gefangenenlager! Seine Studenten, unter ausgelassenen Lachsalven. Die lachenden Slaven, als sie ihn erkannten unter den Gefangenen. Auf Brüderlichkeit und Einigkeit. Hätten sie nicht auch gerne auf den einen oder anderen Lehrer gepisst?
Auf Milans Onkel, einen Mathematikprofessor, der die Kurve gekratzt statt verpasst hat. Auf den Onkel, der den letzten Bus Richtung Westen erwischte, ein Flüchtling, ein Mathematikprofessor auf dem Baugerüst, ein Gastarbeiter. Auf Milans Wunsch den Onkel zu besuchen, auf die Besuche des Onkels und die Euroscheine, die er auf seinen Schreibtisch legte und Münzen, wie Krümel, gelbe Krümel. Der Monatslohn eines Mathematikprofessors auf dem Balkan.
Dieses Glas auf die Balkaner, živeli! Auf die Balkaner, die ganz bucklig dank des schalen Nachgeschmacks vor die Kameras weltweit treten, mit geblendeter Selbsterkenntnis. Ein Glas auf die balkanischen Studenten! Meine Damen und Herren, auf den Urin der Studenten, der sich über den Hinterkopf eines Onkels goss. Auf jeden einzelnen Urinstrahl aus ihren damals noch unbeschnittenen Schwänzen. Dieses Glas, auf die Glorie an diesem Tag, als man auf ihn urinierte, als man ihn wiedererkannte unter den Gefangenen. Es war ein Herbsttag, ein heiterer Tag. Das hohe Gras neigte sich den Stacheldrähten entgegen und die Kornfelder neigten sich… sonst wohin… scheiß auf die Kornfelder! Und in den Boden gedrückte Kippen schwollen in der nassen Erde etwas an und die Filter sogen sich mit dem ruhmreichen Saft voll. Auf den ruhmreichen Onkel, der jetzt Euroscheine auf dem Balkan verteilt – auf Milans Lieblingsonkel.
Auf Milan! Auf die siegreichen Zeiten der Untersagungen, die misshandelten Schaufenster der polierten Stadtzentren, auf den Zentralismus, auf den mittellosen Milan, der vor diesen Schaufenstern geiferte, auf die zitronenfrischen Schaufenster, die den anstößigen und verlegenen Einwohner verschmähen. Auf diesen Strassen, die Namen von Helden tragen. Milan Bogojevic, aufstrebender Studienabgänger aus Belgrad, živeli!
Ich trinke auf den Erfolg eines jeden rostigen Spießes, auf dem sich ein Ferkel dreht, das sie aßen, wenn die Blasmusik ertönte. Vom Onkel bezahlt. Ich trinke auf den Erfolg eines Herbsttags und den eines Kinderzimmers für Studienabgänger. Ich trinke auf die Silikonbrüste, auf Goldketten, welche die stiernackigen Vorstadtjungs schmücken, auf ihre Fussballmannschaften: Partizanen und Rote Sterne, auf die doppelköpfigen Adler, auf die Speerspitze des Heiligen Georgije und doppelköpfige Spandrachen. Ich trinke auf rot-weiss und Schachmuster, auf rot-blau-weiss, und blau-gelb und alle anderen heraldisch aufgeblasenen Krakeleien vor allem auf das Uringelb, živeli!
Auf die Nutte vor meinem Block, auf die Nutte vor deinem Block, auf meine Nutte vor seinem Block, auf die Nutten mit Musikverträgen, die Milan nie interessiert haben. Auf Milan Bogojevics Stadtteil, auf angespannte Wettbüros um Leben und Tod. Auf Lichtstreifen, Lichtpunkte, auf wunde Punkte!
Ich trinke auf ein Kinderbett für Akademiker und auf die Bücher zu ihren Füssen. Ich trinke auf ihre Kinderbetten, auf ihre spärlichen Betten. Meine Damen und Herren! Auf die weissen Bettlaken, wie eure Tischtücher, živeli!! Auf Ihre Betten und auf alles, was Sie darin treiben! Auf alles, was Milan in seinem Kinderbett trieb.
Noch einmal trinke ich auf Milans Revier. Soll in meinem Bier, das ich hier, betrunken, auf eurem weißen Tischtuch verschütte, das Elend der Unschuld beben! Beben die Blasmusik und Folklore zum bitteren Trinklied. Meine Damen und Herren, ein Glas auf das Trinklied meines Freundes Milan Bogojevic: «Dunave, Dunave, moje more! Dunave, Dunave moje more kraj tebe najlepse svicu zore!» Ein Glas auf das Trinklied vor dem Finale. Ziveli! Ajmo!
Ich trinke auf den Erfolg der nutzlosen Studienabgänger, eine anerkannte Bevölkerungsschicht des ruhmreichen Balkans, die in Kneipen ein Trinklied singen. Ich trinke auf den Erfolg des Wehklagens der Balkaner, das schwer ist, wie ihre Trinklieder, aber bitterer als türkischer Kaffee. Gebt mir ein Glas. Ein Trinklied und Blasmusik! Auf Kristallgläser, die gegen eine Wand knallen und auf: «Serben… ÄH! Scherben bringen Glück!» Ziveli!
Möge mein Bier dieses weiße Tischtuch beflecken, damit ich darauf ihre lachenden Gesichter sehe, als sie zügellos auf die Tischtücher kletterten, ein Tropfen für jeden Tanzabdruck. Und Milans garstiges Lachen, bitter, ein Balkaner. Ich trinke auf den Erfolg von Danilo Kis, auf ein Grabmahl für Milan, auf einen heiteren Herbsttag, der über ihn wachte, meinen erfolglosen Freund, den Studienabgänger Milan Bogojevic, Gefeierter im Juni zum Abschluss, Immatrikulationsnummer: Eins, Null, Strich, Drei, Vier, Fünf, Acht, Zwei, Strich, Zwei, Eins.
An der Universität Belgrad, können Sie sich eine solche Universität vorstellen? Auf sein Endergebnis, auf den letzten Oktober. Er bat in den Kneipen nach acht Uhr um sein Trinklied, das balkanische Trinklied: Dunave, moje more! Auf den Erfolg der Gebeugten vor den zitronenfrischen Schaufenstern, die tanzen zu Blasmusik und Trinkliedern. Eines dieser Lieder, zu denen Sie so seltsam zappeln.
Ein Glas auf die Nachricht, die niemand fand, das aufgeschlagene Buch, auf das Klagen und Wimmern seiner Mutter, das nächtelang zu hören war, in einem Kinderzimmer, auf dem Perser, nach dem Knall, auf dem schwarzen Fleck. Ein Glas auf das armselige Bücherregal, auf einen Wäschekorb mit Bettlaken. Möge mein Trinkspruch dieses Bier gelb-rötlich erleuchten, wie die Morgendämmerung über der Donau, ich verschütte dieses Bier, das keinen Durst löschen kann.
Dieses Glas trinke ich auf einen gebeugten und nutzlosen Studenten, auf meinen Freund, Milan Bogojevic, den Gefeierten im Juni zum Abschluss, der sich erschoss! Meine Damen und Herren, ein betrunkenes Glas auf den Balkan! Ziveli!