irgendwann in den 80er jahren bekam ich einen brief an mein postfach. postfach, dieses allheilmittel gegen die paranoia der flüchtlinge. natürlich schaue ich erst auf den absender: hadayatullah hübsch.
ein konvertit also. hatte nicht schon heinrich heine vor konvertiten gewarnt? im brief stellt sich ein mann vor, der zum islam übergetreten ist, gedichte schreibt und wünscht, dass wir miteinander korrespondieren. das hätte er gern, der neumuslim; meine paranoia meldet sich.
es ist nicht mal einige wochen her, dass b. aus strassbourg nach münchen kam. er erzählte von einem wichtigen treffen in wien. auf meine frage, ob er den mann kenne, winkte er ab. «wir sassen in der islamischen republik für eine weile in derselben zelle.» sein gastgeber und ich warnten ihn. ich bot mich an, in wien einen rechtsanwalt zu kontaktieren. doch b. lachte uns aus und fuhr zu dem treffen. er kam nicht mehr zurück. später fand die polizei seine leiche in der küche einer kleinen wohnung in wien, mit einem genickschuss.
und jetzt sucht der konvertit den kontakt zu mir. ich schreibe einige zeilen, unverfänglich, ohne anrede, ohne datum, und schicke sie zurück. die antwort war wütend. «lieber SAID, glaubst du wirklich, dass ich ein agent der islamischen republik bin?»die wut schien authentisch. ich horchte herum. alle waren überzeugt, dass hadayatullah hübsch alles andere ist als ein agent. ich war verlegen und überlegte mir eine formvollendete entschuldigung.
aber schon kam der zufall zur hilfe. wir sollten beide auf einem podium sitzen und über den politischen islam sprechen. die moderatorin sprach offen von ihrer sympathie für herrn hübsch. je mehr er sprach, desto mehr wuchs meine scham. als alles vorbei war, ging ich auf ihn zu. hadayatullah öffnete die arme, wir umarmten uns.
SAID *1947 in Teheran, lebt seit 1965 in München, das er nur 1979 nach dem Sturz des Schahs kurz für einen Besuch im Iran verliess, schreibt Lyrik, Prosa, Essays, Hörspiele und Kinderbücher. Er wurde mehrfach für sein Engagement für politisch Verfolgte ausgezeichnet. Zuletzt erschien «auf der suche nach dem licht» (Peter Hellmund, 2016).