«Was geht?», lautete die Frage, die wir in unserer ersten Ausgabe stellen wollten. Was geht, ist nicht nur Slang-Smalltalk, sondern auch eine Verhandlung, eine persönliche Bewertung oder eine politische Kritik. Es geht um soziale Konventionen und gesellschaftliche Narrative. Und was, wenn nichts mehr geht? Dann war wohl alles zu viel. Geplant waren zwölf Beiträge unterschiedlicher Autor*innen, Themen und Formate. 

Was für uns geht, mussten wir uns auch als neues Redaktionsteam und in der Zusammenarbeit mit der erweiterten Redaktion fragen. Wie stellen wir sicher, dass jede Stimme gleich viel zählt? Was interessiert uns – und was davon ist gesellschaftlich und politisch relevant? Welche Geschichten wollen wir erzählen, und welche lesen?

Das Experimentelle an unserem neuen Zeitungskonzept lag massgeblich in der Zusammenarbeit mit kontinuierlich wechselnden Personen aus unterschiedlichen Disziplinen und diversen Hintergründen. Als siebenköpfiges Team vereinten wir multiple Expertisen: von Kunst, queerer Literatur und Wissenschaft, über visuelle Kommunikation, Fotografie und Journalismus, bis hin zu Feminismus, politischer Theorie und Postkolonialismus. 

Seit der Planung dieser Ausgabe ist viel passiert. In diesen Tagen ist die Frage, was geht, auch eine, die sich die ganze IGRF stellen muss: Bezüglich der Mittel, die in den nächsten Jahren schmerzlich knapp sein werden – aber vorallem in Bezug auf das gewünschte Kollektiv, die Zusammenarbeit und den gemeinsamen Werten.

Mit dieser Ausgabe, die leider nie das Licht der Druckermaschine erblicken durfte, wäre ein Praxisdokument für unsere Ideale entstanden. Mit der neuen Fabrikzeitung hatten wir es geschafft, einen Raum zu schaffen, in dem Kreativität, kollektive Anstrengung und gegenseitiger Respekt sowie Mehrstimmigkeit im Zentrum unserer inhaltlichen Zusammenarbeit standen.

Ausgedacht, durchgeplant, weggespart: Heute präsentieren wir euch die Vorschau einer Zeitung, die nie erschienen ist. Möge sie euch neugierig darauf machen, was noch hätte kommen können, und vielleicht wehmütig darüber, was nie entstanden ist.  

Selfcare vs Verantwortung

Überlastung, Krankheit, Stress: Spätestens seit der Pandemie kämpft die Kulturbranche mit Absagen, soziale Institutionen mit Ausfällen und politische Kollektive mit Mangel an engagierten Aktivist:innen. Wer ausfällt, kann aufgrund des personellen Mangels kaum ersetzt werden und belastet damit andere. Gleichzeitig priorisieren viele die Sorge um sich selbst und die eigenen Grenzen immer stärker. Doch wie treffen wir die Entscheidung zwischen Selfcare und der Verantwortung gegenüber anderen? Diesem Zwiespalt hätten sich die Autor*innen in sechs Kurzbeiträgen gewidmet.

Selbstaufopferung ist zwecklos

Simi T.* arbeitet als Performance Artist*in, sitzt als queere Aktivistin auf Podien und schreibt Texte für Magazine. Ihr Alltag besteht branchentypisch aus zu viel Arbeit für zu wenig Geld. Stress und Überbelastung sind vorprogrammiert. Das einzige, das ihrer Meinung nach akut hilft, ist die eigenen Grenzen einzuhalten und zu kommunizieren – wenn nötig auch mit Absagen. Ein Erfahrungsbericht.    

Selfcare gibt’s in der Betreuungsarbeit kaum

Absagen geht in ihrem Job so gut wie nicht, denn sie sorgt für diejenigen, die sich nicht um sich selbst kümmern können: Merita C.* betreut hauptberuflich Personen mit Behinderung. Wie der Druck auf das Betreuungspersonal, aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen und Unterbesetzung wächst, hätte sie in diesem Erfahrungsbericht erzählt.

Erst die Arbeit, dann die Politik

Die Pandemie hat die Aktivist*innen im feministischen Streikhaus – einer der wenigen unkommerziellen Freiräume von und für Frauen, Lesben, inter, trans, agender und queere Personen in Zürich – hart erwischt. Auch über ein Jahr später sind die Folgen für die Bewegung noch immer gravierend. Die feministische Aktivistin Laura M.* hätte über die Schwierigkeiten politischer Organisation nach Corona berichtet.

Wenn Frontsänger*innen absagen

Tourneebands sind eine wichtige Bereicherung für die Rote Fabrik. Aber was passiert, wenn eine Band in letzter Minute aus gesundheitlichen Gründen nicht auftreten kann? Das Musikbüro hätte aus dem Nähkästchen geplaudert und einige Anekdoten erzählt. 

Lieber für andere als für mich selbst

Als Sozialarbeiterin für Sans-Papiers hat Dannica D.* alle Hände voll zu tun: Sie vereinbart Termine, macht Gefängnisbesuche, hilft bei Bewerbungen oder der Wohnungssuche. In diesem Beitrag hätte sie erzählt, wie verheerend die Folgen für Papierlose wären, würde sie mit ihrer Arbeit aufhören. 

Wenn stehen nicht geht

Die Bundespolizisten, welche die Eingänge zum National- und Ständerat bewachen, dürfen neuerdings nicht mehr sitzen. Zwei Beamte haben sich bereits krankschreiben lassen. «Gehts noch?!», ärgert sich SP-Nationalrätin Badran. Was geht also im Bundeshaus? Die Polizei jedenfalls nicht, denn sie will sitzen. Diesen satirischen Beitrag über die Selfcare-Massnahmen der Sicherheitsbeamten hätte Ann Mbuti verfasst.

Drei Herzen und
zwei halbe Sätze

«Über den Umgang mit Menschen» ist das bekannteste Werk des deutschen Schriftstellers Adolph Freiherr Knigge. Seit 250 Jahren gilt das Buch als Regelwerk für «gute Umgangsformen». Emojis, Kürzel, Kleinbuchstaben: Welcher zwischenmenschliche Verhaltensweisen im digitalen Raum gehen und welche nicht, hätte in diesem literarischen Beitrag die Autorin Anaïs Meier beschrieben. 

Small Talk:
«Und was geht bei dir so?»

Belanglose Sätze über das Wetter, Fragen zum Berufsalltag? Kein Problem. Ivona Brđanović hasst Smalltalk, aber ist extrem gut darin. In diesem Beitrag erzählt sie, wieso langweilige Gespräche essentieller Bestandteil zwischenmenschlicher Beziehungen sind und wie auch du ein wahrer Small-Talk-Profi wirst.

Was geht in der
Übersetzung verloren?

Zarina Tadjibaevas verarbeitet in ihrem Theaterstück «Neutralisiert», das im November 2023 im Fabriktheater aufgeführt wurde, ihre jahrelange Erfahrung als Behördendolmetscherin im Asylwesen. In diesem Beitrag hätte Tadjibaeva die Schwierigkeit reflektiert, Unterdrückungserfahrungen zu übersetzen und Lücken zu erzählen.

Wenn die Maschine
entscheiden darf 

Die Zukunft ist jetzt, die künstliche Intelligenz ist hier. Aber wer bestimmt eigentlich, was im digitalen Raum geht und was nicht – was die AI sagt, macht und darf? Ein Gespräch mit Peter Kirchschläger, Professor für Theologische Ethik und Autor des Buches «Digital Transformation and Ethics» hätte Licht ins Dunkel der digitalen Welt gebracht.

Hustleculture:
Zu viel ist zu viel 

Die Schweiz sei das Land der Fleissigen, erzählen sich diejenigen gerne, die der Überzeugung sind, Wohlstand entstehe eher durch Arbeit als Ausbeutung. Zu was der Schweizer Arbeitsfanatismus aber ganz sicher führt, sind Stressdepressionen und Überbelastung. In diesem Essay hätte Kira Kynd die Ideologie der Leistungsgesellschaft diskutiert.

Mit Blick auf die Goldküste

26.000 Franken Miete für eine 6.5-Zimmer-Wohnung: Was geht eigentlich am Linken Seeufer?! Vor über vierzig Jahren haben sich die Wohlhabenden bereits die Goldküste unter den Nagel gerissen. Durch die Sarnierungspläne der Kibag soll nun die «Pfnüselküste» folgen. In dieser Mockumentary begibt sich Ann Mbuti auf Spurensuche nach den wichtigsten Akteur*innen, die die Gentrifizierung weiter antreiben oder zu verhindern versuchen.

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