Bei einer Informationsveranstaltung für Erstsemester des Studiengangs African-American Women’s History am Sarah Lawrence College erwähnte ich, dass die Library of Congress (im Folgenden LC abgekürzt) die Bezeichnung für dieses Fachgebiet immer wieder angepasst habe, von «NEGRO WOMEN» zu «BLACK WOMEN» zu «AFRICAN-AMERICAN WOMEN» und so weiter. Eine Studentin fragte darauf, ob Studierende, die speziell an der Geschichte weisser Frauen interessiert wären, demnach auch nach dem Begriff «WHITE» im Katalog suchen müssten. Meine Kollegin, eine Auskunftsbibliothekarin mit fünf Jahren Berufser-fahrung, bejahte dies spontan. Aber auch wenn wir uns wünschen können, dass die LC «Weiss» als eine eigene Kategorie und einen Hinweis auf die historische Vormachtstellung der weissen Rasse anerkennen würde, so tut sie das in der Realität nicht. Die LC ist in den histori-schen Strukturen der White Supremacy verwurzelt, und also solche nimmt ihr Katalog den Begriff «Weiss» schlicht als normativ an. Die Bibliothekarin lag in diesem Fall falsch.
Aber wir müssen es richtig machen. Zuallererst deshalb, weil wir Studierenden falsche Informa-tionen vermitteln. Kursteilnehmende, die nach den Werken «weisser Frauen» suchen, werden kaum fündig, während die Suche nach «Frauen» wiederum wesentlich mehr zutage bringen würde. Ein weiterer Grund – weniger offensichtlich jedoch umso heimtückischer – ist, dass wir, indem wir solch einen Katalog in unkritischer Weise lehren, die verallgemeinernd hegemonischen Tendenzen dieser Klassifikationen nicht nur unter den Teppich kehren, sondern sie gleichzeitig aufrechterhalten.
Wenn wir die kritische Infragestellung von Klassifikationen als soziales und politisches Anliegen betrachten, dann würde ich argumentieren, dass Klassifikationsschemata an sich soziale und gesellschaftlich verankerte Konstrukte sind. Sie enthalten Spuren von intentionalem wie auch absichtslosem Rassismus, Seximus und Klassismus jener in sich, die sie erstellt haben. Politische Vorstösse, Begrifflichkeiten zu ändern oder Klassifikationsschemata zu lokalisieren, werden unvermeidlich durch die Natur der Klassifikation an sich behindert. Klassifikationsschemata lassen sich nicht objektiv erschaffen; es liegt in der Natur der Themenanalyse, dass sie subjektiv ist. Lehre – wenn sie auf eine kritische und durchdachte Weise stattfindet – kann uns einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten. Aber das setzt voraus, dass wir unseren standardbasierten Informationskompetenzdiskurs hinterfragen und uns der radikalen pädagogischen Theorie zuwenden.
Klassifikation in der Bibliothek
Die Klassifikation ist ein Kernstück der Arbeit von Bibliotheken. Jede Klassifikation, auch die der Bibliotheken, folgt drei Regeln, die von Geoffrey C. Bowker und Susan Leight Star in ihrer kritischen Klassifikationsstudie definiert wurden: ein System bestimmter Klassifikationsprinzipien wird an eine vorgegebene Auswahl von Objekten angelegt; ein Objekt kann nur in einer einzigen Kategorie verortet sein; und alle Objekte sind in der Klassifikation verzeichnet. Klassifikationen bestehen aus zwei Teilen: Sie beinhalten ein Kategorisierungssystem, das uns erlaubt, Wissensobjekte nach Themen zu sortieren, um die Suche nach ihnen zu erleichtern. Ein zweiter Aspekt des Katalogisierens ist ein kontrolliertes Vokabular. Dieses funktioniert wie ein Wortschatzkatalog oder Thesaurus für Wissensobjekte, der von Bibliothekarinnen beim Katalogisieren von Wissensobjekten angewendet wird und den Bibliotheksbesucherinnen die Suche im Online Public Access Catalog (OPAC) erleichtert. Jedes Objekt in einer Bibliothek wird innerhalb eines Themengebiets und mithilfe von kontrollierter Terminologie eingeordnet; nichts befindet sich ausserhalb dieses Systems. Bibliotheksklassifikationen sind im besten Fall ambitionierte Totalprojekte. Sie zielen nicht nur darauf ab, den momentanen Wissensstand der Menschheit wiederzugeben, sondern auch darauf, jede mögliche zukünftige Erkenntnis miteinzuschliessen.
Der problematische Thesaurus
1969 veröffentlichte Sanford Berman einen Brief im Library Journal, der die chauvinistischen Begrifflichkeiten der Titelkategorisierung in der Library of Congress kritisierte. Später, im Jahr 1971, griff er die LC-Betitelungen nochmals im grösseren Stil in seinem Buch ‹Prejudices and Antipathies› an. Er beklagte, was er «den Kosmos der Begrifflichkeiten, die sich mit Menschen und Kulturen befassen», nannte, und argumentierte, dass mit der «LC-Liste nur Menschen ‹zufrieden› sein könnten», die er folgendermassen beschrieb: «Engstirnige chauvinistisch-nationalistische Europäer und Nordamerikaner, weissfarbige, zumindest nominell christlich (und vorzugsweise protestantisch) Gläubige, die komfortabel in mittleren und höheren Einkommensschichten situiert, grösstenteils in den Vororten angesiedelt, grund-legend dem bestehenden System loyal und stark beeinflusst von der transzendenten unvergleichlichen Herrlichkeit der westlichen Zivilisation sind.» Berman wurde mit seinen Schriften zur Inspiration für eine ganze Generation radikaler Bibliothekar*innen, die sich für eine Veränderung der Katalogisierungssysteme einsetzen.
Die in Klassifikationen verwendete Sprache ist auch ein Spiegel grösserer sozialer Strukturen. Der Thesaurus fungiert als Metatext, als symbolische Repräsentation von Werten, Macht-verhältnissen und kulturellen Identitäten eines bestimmten Ortes zu einer bestimmten Zeit. In der LC gibt es zum Beispiel keinen kontrollierten Begriff für Konflikte im Zusammenhang mit der israelischen Besetzung palästinensischer Gebiete. Benutzer, die Informationen zum Einfall israelischer Truppen in palästinensische Territorien suchen, finden Werke unter dem generellen Oberbegriff ARAB-ISRAELI CONFLICTS, also «arabisch-israelische Konflikte» – was die Existenz spezifisch israelischer Aggression gegen Palästinenser negiert. Zudem wird ISRAELISCH-ARABISCHE KONFLIKTE als Querverweis zu ARABISCH-ISRAELISCHE KONFLIKTE aufgeführt, was nahelegt, dass im LC-Kosmos, die Araber die Urheber dieser territorialen Konflikte sind.
Berman stiess sich allerdings nicht an den grundlegenden Mechanismen der Bibliotheksklassifikation. Ihr Ziel – menschliches Wissen innerhalb einer einzigen vereinheitlichten Struktur und Sprache zusammenzubringen – entsprach seinem eigenen Kernanliegen. 1971 schrieb er in der Einleitung zu seinem Buch: «Wissen und Wissenschaft sind, schlussendlich, universell. Und ein Themenschema sollte es idealweise schaffen, alle Facetten dessen, was geschrieben und in Bibliotheken versammelt wurde, zur generellen Zufriedenheit einer weltweiten Gemeinschaft von Lesern miteinzuschliessen.» So war Bermans politische Zielsetzung in gewisser Weise recht kurzsichtig: Das Hauptproblem der LC-Klassifikation ist das Fehlen korrekter Sprache. Strukturelle Kritik an Klassifikationen legen jedoch nah, dass Bermans pragmatistische, wenn auch reformistische, Sichtweise fundamental beschränkt war.
Strukturelle Probleme
Ein zweiter Aspekt der kritischen Intervention hat mit den strukturellen Einschränkungen von Bibliotheksklassifikationen zu tun. Die Bibliothekswissenschaftlerin Hope Olson führt zwei zentrale Kritiken an der Klassifikationsstruktur ins Feld. Erstens sind Klassifikationen hierarchisch und schreiben eine verallgemeinernde Struktur «primärer Begriffe» vor, die als neutral maskiert daherkommen, obwohl sie tatsächlich durch die vorherrschende Kultur und die bestehenden sozialen Machtverhältnisse geprägt sind. Zum Beispiel erwähnt Olson den Umstand, dass «FRAUEN» als Unterbegriff von «WEIBLICH» geführt wird. «Im Fall von ‹Frauen›, definiert der Oberbegriff ‹weiblich› die Kategorie als eine biologische, die alle Spezies nach Geschlecht unterteilt. Unterbegriffe sind in der Hierarchie weiter unten angesiedelt, im Falle von ‹Frauen› sind das ‹missbrauchte Frauen›, ‹missbrauchende Frauen›, ‹ältere Frauen› und so weiter …» Um die Wissensobjekte einer Bibliothek in einen Kontext zu setzen, stellen Klassifikationen Hierarchien auf, nicht nur zwischen Über- und Unterbegriffen, sondern auch durch die Verwendung von Querverweisen und «Siehe-auch-Referenzen», wodurch alles im Wissenskosmos in ein einziges, hierarchisch gewebtes Netz eingeflochten wird.
Hierarchien führen zu einer Zentralisierung von Macht «im primären Begriff», sei das ein Diktator in einem faschistischen Staat, der Vater einer patriarchalen Familie oder der Quarterback eines American-Football-Teams. Weniger leicht ersichtlich daran ist, dass sie jeweils nur einzelne Aspekte eines Objekts herausstellen. Ein Mann, der ein Football-Quarterback ist, kann beispielsweise auch Vater, Bruder und Briefmarkensammler sein, aber für die Hierarchie, die ihn auf dem Footballfeld verortet, ist er eben nur ein Quarterback. Andere relevante Persönlichkeitsanteile – seine Fähigkeit hinter dem Schutzwall seines Teams zu bleiben, vorzusprinten, lange Pässe zu werfen und so weiter – sind diesem «primären Begriff», seiner «Quarterback-igkeit», untergeordnet. Die anderen Facetten seiner Persönlichkeit werden irrelevant. Hope Olson nennt dies die Hierarchie der Gleichheit. «Wir unterteilen zuerst nach einer Facette, dann nach einer weiteren, noch einer anderen und so weiter in einer vorgeschriebenen Zitationsreihenfolge. Das Ergebnis ist eine hierarchische Anordnung die sich um die erste Facette gruppiert, der Logik folgend, dass wir zusammentun, was gleich ist, und trennen, was sich unterscheidet.»
Nun stellen wir uns aber ein Buch über diesen Quarterback vor, das auch von seinem Kampf gegen Rassismus in der NFL erzählt. Eine Titelaufnehmerin würde es vielleicht unter «Quarterbacks (American Football)» einordnen, weil es um American Football geht, anstelle von «Rassismus – Vereinigte Staaten», obwohl es auch Rassismus in Nordamerika thematisiert. Das Buch stünde dann Sportwissenschaftlerinnen zur Verfügung; aber Wissenschaftlerinnen, die sich mit Rassismus in den Vereinigten Staaten befassen, hätten eher Mühe, es zu finden. Das Spektrum an Möglichkeiten ist riesig, ein Titelaufnehmer könnte auch «Rassismus im Sport» wählen oder «Afroamerikanische Sportler – soziale Bedingungen», «Diskriminierung im Sport» und so weiter. Bei Bibliotheksklassifikationen wird dieser «erste Schlag» von Titelaufnehmern ausgeführt, was ein sehr menschlicher und subjektiver Prozess sein kann: Wovon handelt das Buch, das ich in der Hand halte, primär? Ist es ein Buch über Football oder eins über Rassismus? Und welche Überschrift aus einer ganzen Reihe von relevanten Begriffen sollen wir ihm geben? Diese Entscheidung hat deutliche Auswirkungen auf Suchende, die ein Buch aufgrund seiner Klassifikation anschliessend leichter oder weniger einfach finden. Bei Klassifikationshierarchien geht es also nicht einfach darum, einen Begriff anderen vorzuziehen, es geht auch um die Bevorzugung bestimmter Arten von Gleichheit und Andersartigkeit.
Ein letztes strukturelles Problem von Klassifikationen ist ihre Langlebigkeit. Selbst die flexibelsten Klassifikationen setzen voraus, dass ein Wissensobjekt permanent in eine bestimmte Kategorie eingeordnet wird; und wenn ein Buch erstmal einer Kategorie zugeordnet wurde – selbst wenn es eine neu erschaffene Kategorie ist –, dann bleibt es normalerweise dort. Titelaufnehmerinnen überarbeiten Kategorien zwar von Zeit zu Zeit, aber die Tendenz des Katalogisierens in unserer kapitalistischen Welt geht eher dahin, neue Einträge vorzu-nehmen als alte zu revidieren. Aber was heisst das für neue, zwangsläufig noch in Entwicklung begriffene Wissensgebiete? Man denke zum Beispiel an Material, das sich mit den Erfahrungen von trans und nonbinären Personen auseinandersetzt. In diesem Diskurs etablieren sich täglich neue Begrifflichkeiten. Die LC legt diese Entwicklung quasi in Ketten, indem sie ein Buch in eine Kategorie einordnet, die noch auf Vokabular basiert, das durch den Text selbst vielleicht bereits überholt wurde.
Bibliotheksklassifikationen sind unerlässlich. Wir könnten ohne sie im weiten Wissensozean kaum Land gewinnen. Sie ordnen Wissen im materiellen Raum –stellen Bücher in einer bestimmten Reihenfolge ins Regal – und erlauben uns den intellektuellen Zugang zu Sammlungen, indem sie Bücher nach einer bestimmten Logik gruppieren. Gleichwohl sind sie problematisch. Bibliotheksklassifikationen verwenden die Sprache der Machthabenden: sie spiegeln, kreieren und reproduzieren Hierarchien; sie gruppieren Gleichheit und Anders-artigkeit und verhindern die Sichtbarkeit von Minderheitenliteratur; sie behindern die linguis- tische Transformation von sich entwickelnden Wissensgebieten und Identitätsbildungen. Das alles sind schwerwiegende Probleme, und bisherige Lösungsansätze haben einen von zwei Wegen gewählt, nämlich das Sprachproblem oder das Strukturproblem anzugreifen.
Sandy Berman ist der vielleicht berühmteste Katalogaktivist. Doch seine Arbeit ist den Werten der LC verschrieben. Während Berman zwar versucht, den Thesaurus zu ändern, lässt er die strukturellen Probleme ausser Acht. Und dieses Versäumnis ist fatal. Bermans Herangehensweise legt nahe, dass es eine «richtige» Sprache gäbe, die universell verstanden und angewendet werden könne. Aber Sprachpolitik ist selten so einfach gestrickt, und Sprache wird eigentlich immer von irgendwem angefochten. In einem Interview mit Rory Litwin von der damaligen Library Juice Press erzählt Barbara Tillett, Leiterin des Library of Congress Cataloging Policy and Support Office, Folgendes: «Bevor wir ‹Zigeuner› in ‹Sinti und Roma› umbenannten, nahmen ein paar Mitarbeitende des CPSO an einem Seminar zum Thema Holocaustmuseum teil und berieten sich dort mit einem Vertreter und ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet. Nachdem wir die Bezeichnung [2004] geändert hatten, erhielten wir jedoch diverse Beschwerden von Einzelpersonen wie auch Organisationen, die sich dagegen aussprachen, den Begriff Zigeuner abzuschaffen.»
Es gibt viele andere Fälle, in denen die Diskussion um eine bestimmte Identität so verworren und kontrovers ist, dass es schwerfällt, einen «richtigen» Begriff zu finden. Man denke an die Zurückeroberung von englischen Identitätsbegriffen wie «N*a», «queer», «fat», und «crip», von Vertreterinnen ebendieser Identitätsgruppen. Sollte die LC solche Selbst-Identifika-tionen nicht mitberücksichtigen? Bermans Kampf für die «richtige Sprache» lässt ausser Acht, dass Sprache in vielerlei Art und Weise politisch und kontextgebunden ist.
Und was ist mit den strukturellen Problemen? Wenn es nicht ohne Klassifikationen geht, wie können wir den unerwünschten strukturellen Aspekten entgegenwirken, der hierarchischen Anordnung von Gleichheiten und dem Mangel an Flexibilität? Einige Bibliothekarinnen, darunter auch Olson, haben sich der Erstellung lokaler Klassifikationen verschrieben. Statt ihre Energie in die Verbesserung einer einzigen universellen Klassifikationsstruktur zu investieren, haben sie begonnen, nutzerzentrierte Klassifikationen für spezifische Sammlungen anzulegen.
Ein anderer Ansatz wäre, Technologien einzusetzen, die unsere Abhängigkeit von strukturierten Klassifikationen verringern. Eine Kombination aus Freitextsuche und relevanzbasierten Algorithmen könnte bewirken, dass Anwenderinnen relevante Suchergebnisse ohne zugrunde liegende Klassifikation abrufen können. Alle, die sich auf der Suche nach dem richtigen Dokument schon mal durch tausende von JSTOR-Ergebnissen gekämpft haben, wissen allerdings, dass wir noch nicht soweit sind.
Thesauren hinterfragen und verändern, lokale Lösungen entwickeln und neue Technologien einsetzen – all das sind Ansätze, die wir in unserem radikalen Baukasten gut gebrauchen können. Aber keine dieser Lösungen ist überall und jederzeit sinnvoll einsetzbar, und keine von ihnen wirkt dem anhaltenden, ja sogar zunehmenden Trend entgegen, standardisierte Schemata anzuwenden.
Den radikalen Katalog lehren
Weder ein Wandel der Sprache noch einer der Struktur wird die grundlegenden Probleme von Klassifikationssystemen lösen können. Klassifikationen sind statisch – zumindest an einem spezifischen Punkt in Zeit und Raum – und inhärent verallgemeinernd – zumindest innerhalb eines spezifischen Themengebiets. Wenn wir diese Eigenschaften als grundlegend unab-änderlich akzeptieren, sollten wir anfangen, radikale Pädagogik in unsere Lehre zu integrieren, um stattdessen den Umgang von Nutzer*innen mit diesen Systemen zu verändern.
Wir Mitarbeitende öffentlicher Bibliotheken sehen uns zunehmend auch als Lehrpersonen. Dieser Wandel unserer beruflichen Identität wird von James Elmborg beschrieben, der die Entwicklung von individuellen Referenztransaktionen zu gruppenbasiertem Informationstransfer als empirischen Beweis dafür sieht, dass es innerhalb der Berufsgruppe einen zunehmenden Fokus auf «Informationskompetenz» zu geben scheint.
Anstatt auf passive Weise Klassifikationen zu lehren, könnte ein kritisches Bibliothekskompetenzprogramm Lernende dazu ermuntern, sich kritisch mit dem Thema Klassifikationen auseinanderzusetzen und so ihr kritisches Denken in Bezug auf die uns zur Verfügung stehenden Systeme schärfen.
Wenn wir Lernenden den Katalog – oder auch jede andere Art von Abrufinstrument – als eine fixe Realität vermitteln, der sie sich anzupassen haben, dann flössen wir ihnen gleichzeitig die Dominanz der Erzählperspektive ein, die uns die Klassifikation vorschreibt. Eine Methode, die Studierende aktiv einbezieht, erlaubt uns stattdessen, die hegemonische Produktion und Reproduktion problematischer Sprache, wie von Berman kritisiert, und die starre Unbeweglichkeit der Hierarchien der Gleichheit, die Olson beklagt hatte, zu «enthüllen». Erst wenn uns die Grenzen und die inhärente Macht von Klassifikationen wirklich bewusst werden, können wir sie für unsere Zwecke einsetzen – um Bücher in Bibliotheksregalen zu finden – und unseren eigenen Umgang mit ihnen durch eine kritische Auseinandersetzung verändern.
Indem wir die Problematiken von Klassifikationen in unsere Lehrpläne und Methodiken mit-aufnehmen, ermöglichen wir Studierenden und uns selbst eine kritische Anwendung von Systemen, die unsere Katalogisierungsabteilungen niemals einfach werden «reparieren» können.
Intervention im Unterrichtsraum der Bibliotheken
Wie könnte so eine kritische Auseinandersetzung mit Klassifikationen in der Lehre von bibliografischer Kompetenz aussehen? Sicherlich müssen wir Studierenden weiterhin beibringen, wie Bibliothekskataloge, Datenbank-Indexierung und solcherart verschlüsselte Informationsabfragesysteme verwendet werden. Aber wie können wir ihnen diese Werkzeuge an die Hand geben und sie gleichzeitig dazu ermutigen, sie kritisch zu hinterfragen?
Als Lehrende müssen wir lernen, ein wenig Kontrolle über unseren Unterrichtsraum abzugeben. Während unser Fokus lange auf unserem eigenen Fachwissen gelegen hat, müssen wir willens sein, mit unseren Studierenden zusammen zu lernen. Für meine weisse Kollegin waren die rassistischen Strukturen des Bibliothekskatalogs ein blinder Fleck; sie verstand den Unterschied nicht, weil sie ihn nicht als solchen wahrnehmen konnte. Eine Gruppe lernwilliger Individuen, die sich gemeinsam mit den Problemen von Klassifikationen auseinandersetzen, könnte solch eine Kritik als Gemeinschaft besser verstehen. Wir müssen also unsere Dominanzposition verlassen und uns mit den Studierenden gemeinsam am kritischen Lernen ver-suchen – Individuen, die sich, genau wie wir, bemühen, das System Bibliothek zu verstehen.