Die Umstände im Schweizer Asylwesen sind prekär – für Frauen und genderqueere Personen nochmal auf eine ganz eigene Art. Oft fehlt es bereits an Mitteln, um Grundbedürfnisse zu stillen. Die Fabrikzeitung traf sich mit einer Vertreterin des Unterstützungskollektivs Inaya Zürich, das sich genau diesen Problemen widmet. 

Fabrikzeitung: Was und wer ist Inaya?

Inaya: Wir sind ein Kollektiv, das sich zur Unterstützung von geflüchteten Frauen und genderqueeren Personen gegründet hat. Die Fraktion in Basel gibt es bereits seit eineinhalb Jahren und der Zürcher Ableger ist gerade im Aufbau. Hier sind wir um die fünfzehn Einzelpersonen. 

FZ: Weshalb habt ihr euch gegründet?

I: Bei Inaya geht es darum, eine finanzielle Unterstützungsstruktur zu bilden, um Geld umzuverteilen: Von denen, die mehr haben als sie brauchen, zu denen, die zu wenig haben um ein sicheres und angenehmes Leben zu führen. In Zürich gibt es für geflüchtete Frauen und genderqueere Personen keine vergleichbaren Strukturen, deshalb wollten wir mit dem Zürcher Kollektiv eine Lücke füllen.

FZ: Arbeitet ihr eng mit dem Basler Kollektiv zusammen?

I: Ja. Für unser neues Kollektiv in Zürich ist es sehr hilfreich, dass wir von den Strukturen und der Organisation in Basel lernen können. Sie teilen ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit uns und stellen uns zum Beispiel die Infrastruktur ihrer Website zu Verfügung.

FZ: Wie sieht eure Hilfe für Geflüchtete konkret aus?

I: Oft kümmern wir uns um eine Art Notfallunterstützung, die weder der Staat noch sonst eine Instanz übernimmt. Meistens geht es um Grundbedürfnisse, wie medizinische Hilfe oder eine Rechtsberatung beispielsweise. 

FZ: Die staatliche Hilfe ist bekanntlich oft schon zu gering, um die Fahrkarte bis zur Arztpraxis zu bezahlen.

I: Genau, oft reicht diese Unterstützung nirgendwo hin. Je nach Asylstand ist der Betrag unterschiedlich. Abgewiesene Asylsuchende haben zum Bespiel lediglich acht Franken pro Tag zur Verfügung. Da können ein paar hundert Franken der entscheidende Faktor sein, ob man durch den Alltag kommt oder eben nicht.

FZ: Weshalb konzentriert ihr euch spezifisch auf Frauen und genderqueere Personen?

I: Das Patriarchat sitzt auch in den Asylcamps. Es gibt geschlechtsspezifische Grundbedürfnisse, die oft nicht wahrgenommen werden und Frauen und genderqueere Personen daher noch schlechter unterstützt werden, als Geflüchtete im Allgemeinen. 

FZ: Was sind solche spezifischen Bedürfnisse?

I: Das können zum Beispiel Medikamente oder eine psychologische Abklärung für eine Transition sein, medizinische Unterstützung bei einer Schwangerschaft oder Hygieneartikel. 

FZ: Auf eurer Webseite steht, dass die Asylstrukturen oft auf cis Männer ausgelegt sind. Sind damit eben diese
Aspekte gemeint, die du gerade erwähnt hast?

I: Die Strukturen in Asylcamps sind für alle Menschen sehr prekär und unsicher, ungeachtet des Geschlechts. Das möchte ich betonen, damit nicht der Eindruck entsteht, Inaya sei der Meinung, dass die Situation für heterosexuelle cis Männer irgendwie angenehm oder okay sei. Aber in den regulären Unterkünften und bei der Unterstützung vom Staat gibt es sicherlich geschlechterspezifische Bedürfnisse, wie oben erwähnt, denen kaum Beachtung geschenkt wird. Schlussendlich gibt es aber hundert verschiedene Gründe, weshalb Asylcamps nicht sicher sind und Inaya fokussiert sich auf einige davon.

FZ: Steht ihr in direktem Austausch mit Asylsuchenden?

I: Ja. Es gibt verschiedene Unterstützungsstrukturen, die zum Beispiel Campbesuche machen, wie die Autonome Schule oder das Solinetz zum Beispiel. Mit diesen Zusammenschlüssen steht Inaya in Kontakt um möglichst direkt Hilfe leisten zu können.

FZ: Ihr habt verschiedene Solidaritäts-Aktionen geplant, zum Beispiel das Znacht im Ziegel Ende Februar. Geht’s jetzt also ans grosse Spendensammeln? 

I: Es ist etwas vom Zentralsten, das Inaya genügend Geld hat um es zu verteilen. Mit Umverteilung meinen wir natürlich etwas grösseres und gesamtgesellschaftliches als reines Geldspenden. Unsere Idee ist es, dass möglichst viele Leute Inaya mit einem Dauerauftrag unterstützen, weil uns das eine gewisse finanzielle Sicherheit gibt. Dabei fliesst jeder Franken direkt in die Unterstützung für Geflüchtete. Wir arbeiten alle ehrenamtlich. 

FZ: In der Schweiz müsste es eigentlich sehr viele Menschen geben, die Ende Monat etwas übrig haben, um es mit anderen zu teilen.

I: Auf jeden Fall. Nur schon eine Lehrperson, die achttausend Franken pro Monat verdient – was noch kein enormes Einkommen in Schweizer Relationen ist – könnte problemlos monatlich dreihundert Franken davon abgeben. Diese Leute wollen wir erreichen um längerfristig diejenigen unterstützen zu können, die das Geld wirklich dringend brauchen.

FZ: Wie holt man das Geld bei denjenigen, die es eigentlich reichlich zur Verfügung hätten?

I: Das kann man wohl nur klauen (lacht). Nein, im Ernst: Vermutlich nur durch die Veränderung des Systems selbst. 

FZ: Dann müsste man es wohl garnicht mehr holen.

I: Stimmt. Dann hätten sie diesen Überschuss garnicht erst. Aber nun: Wir versuchen, das herauszufinden. Es kann manchmal sehr frustrierend sein, wenn man merkt, dass tausend Franken für uns schon sehr viel Geld und schwierig zu beschaffen ist und gleichzeitig für sehr viele Menschen in diesem Land so wenig, dass sie es mühelos entbehren könnten.

FZ: Man kann sich gut vorstellen, dass es schwierig ist, über das eigene Milieu hinauszukommen und ganz neue Leute zu erreichen.

I: Das ist auf jeden Fall nicht so einfach. Uns ist aber sehr bewusst, dass wir nicht nur auf Soli-Veranstaltungen setzen können, wo ein paar Freund*innen von uns auftauchen. Deshalb auch die Idee mit den Daueraufträgen: Damit adressieren wir zum Beispiel Personen aus der oberen Mittelschicht, die sich genug für Sozialpolitik interessieren, um etwas von ihrem Reichtum abzugeben. Eine Möglichkeit wären auch Stiftungen, die einen sozialen Anspruch haben.

FZ: Ihr übernehmt Arbeit, die eigentlich vom Staat getragen werden müsste. Gibt es bestimmte politische Massnahmen, die getroffen werden müssten, um eure Arbeit zu ersetzen?

I: Hier haben wir innerhalb des Kollektivs wohl verschiedene Meinungen und bis jetzt noch keine gemeinsamen politischen Forderungen formuliert. Ich denke zum Beispiel, dass Wohnungen für alle so ein Anspruch sein könnte. Damit niemand in einem Zimmer mit acht weiteren Personen leben muss, sondern in einer normalen Wohnungen eben. Allgemein formulieren wir mit dem Projekt Inaya eine grosse Systemkritik und fordern, dass Menschen nicht länger verwaltet werden, sondern würdevoll leben können. 

FZ: Welche Erfolge konnte Inaya bisher verzeichnen?

I: Das Aufbauen dieser Unterstützungsstrukturen an sich empfinde ich als Erfolg. Damit zeigen wir auch, dass viele Menschen nicht damit einverstanden sind, wie die Dinge laufen und sich deshalb zusammenschliessen. Auch, dass sich vom Asylsystem betroffene Menschen und solche, die sich mit ihnen solidarisieren, zusammentun und sich gemeinsam organisieren. Damit kann die Isolation, die im Asylwesen herrscht, wenigstens ein bisschen gebrochen werden. Und auch, dass schon jetzt eine kleine Umverteilung von finanziellen Mitteln stattfindet – auch wenn das nicht das ganze System ändert, ist das mit Sicherheit bereits jetzt ein grosser Erfolg. 

Von Kira Kynd

Das Soli-Dinner für Inaya findet am 27. Februar um 

18.30 Uhr im Ziegel statt. 

Mehr Infos zu Inaya: inaya-soli.ch

Kontakt: inaya@immerda.ch

Spenden: Verein INAYA Basel

Konto: 15-809915-6

IBAN: CH07 0900 0000 1580 9915 6

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