Herr, lass Hirn regnen in diesen schwierigen Zeiten. Oder zumindest simpelste arithmetische Fähigkeiten. Natürlich brauchen wir keine weiteren irrealen Zahlen zur Berechnung, dass 15% nicht das Volk sind. Wir brauchen keine Integralrechnung, um nachvollziehen zu können, dass Europa selbst dann in den nächsten Jahrhunderten nicht islamisiert wird, wenn all die freien Denker mit dem Compact Magazin auf dem Klo innert einer Generation selbst zum Ficken zu blöd geworden sind. Wir müssen keine Wurzeln ziehen können, um festzustellen, dass es höchstens eine Demokratie nach antikem Vorbild sein kann, wenn zwei Drittel der Bevölkerung über das andere Drittel nach Gutdünken und fern von unveräusserbaren Rechten herrschen darf, so wie wir das demnächst mit der Unternehmenssteuerreform III beschliessen werden.

Herr, lass es regnen, brich auf die Brunnen dieser Erde und tu auf die Fenster des Himmels, schwemme die Kontinente mit Übergangsfossilien, Mormonen und anderen Beweisen für die Fehlbarkeit deiner Schöpfung, weil so wie es aussieht, reichen uns die Fakten, die du uns an die Stirn genagelt hast wie Bretter, bei Weitem nicht aus. Du weisst ja wie es ist: Wir sind irrig, sündig und mit den Informationen überfordert, die du tagtäglich über uns hereinbrechen lässt wie gekrönte Heuschrecken aus dem Rauch. Und gerade jetzt, wo du so viel von uns genommen hast – Ziggy Stardust, Prinzessin Leia und sogar Gerhard, die bucklige Nazisau – wäre denn nicht jetzt die Zeit reif, dass du uns endlich einmal, einmal nur etwas zurückgibst für all die Lobpreisung, die wir seit Jahrtausenden mit wackligem Flüstern und geschlichenem Gehorsam deines Weges schicken?

Dass wir uns richtig verstehen, Herr, wir wollen keine Zeichen und keinen Messias – das kriegst du ohne CGI ohnehin nicht mehr glaubwürdig hin. Aber ein kleines bisschen echte Veränderung wäre doch nun wirklich angebracht. Der Versuch, uns Pokémon jagen zu lassen statt Flüchtlinge war schon ganz nett, aber da muss einfach mehr kommen. Bau uns Vertrauen statt Türme, heisch uns Liebe statt Aufmerksamkeit, brich unser Brot statt die Siegel am Sozialvertrag. Lass uns für einmal im Wissen, dass es gut ist, deine Schöpfung zu betrachten statt Optimierungspotentiale auszuloten, lass uns für einmal Zufriedenheit nicht mit Sattheit verwechseln und das zweite Fusspaar im Sand von den Wellen verwischen lassen und: Vergessen, was hätte sein können anstatt was war. Und lass uns einmal aus eines Volkes Munde selig sprechen: 01110011 01100001 01101100 01100001 01100001 01101101 00001101.

Etrit Hasler ist Slampoet, Journalist und SP-Kantonsrat. Für die Fabrikzeitung kommentiert er regelmässig das aktuelle politische Geschehen.

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