In Zukunft werden nicht mehr nur Menschen das Internet nutzen, sondern auch Alltagsgegenstände wie Glühbirnen, Armbanduhren oder Fahrräder. Beliebtes Beispiel ist der Kühlschrank, der über das Internet mit seinen Inhalten kommuniziert, seinen Besitzer informiert oder sogar selbst die Milch nachbestellt. Gemäss dem Netzwerkhardwarehersteller Cisco sollen bis 2020 fünfzig Milliarden Objekte über das Internet kommunizieren. Die Industrie erklärte 2014 deshalb zum «Jahr des Internet der Dinge» (engl. Internet of Things, IoT). Thomas Amberg organisiert die Internet of Things Meetups in Zürich und trägt mit dem Startup Yaler.net dazu bei, dass Objekte untereinander kommunizieren können.

Worum geht es bei den Meetups und was wird
besprochen?

Das Internet of Things ist ein Hype. Die Grosskonzerne versuchen sich gegenseitig mit Prognosen zu überbieten. Für viele ist IoT aber sehr abstrakt, deshalb versuchen wir anhand konkreter Beispiele rauszufinden, worum es dabei geht. Was passiert, wenn das Internet in die reale Welt vordringt, mit Sensoren und Aktuatoren? Wenn Bürger ihre eigenen Umwelt- oder Strahlungsmessstationen aufbauen und vernetzen? Wenn Webcams nach einem Software-Update plötzlich Gesichter erkennen oder Abfalleimer beginnen, die Smartphones von Passanten auszuspionieren? Wie funktioniert das technisch und welche Auswirkungen hat das IoT auf uns alle im Alltag? Wo ist solche Infrastruktur heute schon im Einsatz? Wichtig ist auch, das Ganze kritisch zu beleuchten, ohne in Technologieverweigerung zu erstarren.

Wie sind die Meetups entstanden und in welchem Rahmen trifft man sich? Anders gefragt: Wen interessiert das?

Gestartet wurde das IoT Zürich Meetup von Christine Perey, die auch den Mobile Monday Switzerland mit-initiiert hat. Inzwischen sind wir zu dritt. Seit Anfang 2012 organisieren wir alle paar Monate ein informelles Treffen. Es gibt Vorträge auf Englisch und anschliessend Bier. Meetup.com erleichtert die Organisation und bietet den Nutzern verschiedenste Themen zur Auswahl, von Sprach-Lerngruppen und Wandergemeinschaften bis zu 3D-Printing. Das Publikum ist ziemlich gemischt – Ingenieure, Unternehmer, Designer, Leute aus der Do It Yourself Bewegung, Studenten und Künstler – alle sind willkommen. Online sind etwas mehr als 400 Mitglieder eingetragen, pro Anlass kommen jeweils um die 30 Personen.

Wird auch etwas produziert?

Produziert im Sinn von Herstellung wird nichts. Wir haben aber auch schon IoT Workshops veranstaltet und bei den «Make» IoT Zürich Meetups im MechArtLab kann man an eigenen oder gemeinsamen DIY Projekten arbeiten. Zusammen kommt man oft schneller voran, als allein zu Hause. Solche Projekte erfordern eine relativ grosse Breite an Wissen – von Elektronik und embedded Programmierung über Kommunikations-Protokolle, Datenformate und APIs bis zu Server-Komponenten. Aber es gibt Hoffnung: IoT Hardware wie Arduino und Raspberry Pi, open source Server Software wie Thing-Speak oder OpenHab und einfach bedienbare mash-up Plattformen wie IFTTT.com machen es immer einfacher, schnell ein interessantes Projekt zu realisieren.

Du beschreibst einen Bottom-up Ansatz, bei dem die Bürger sich zu vernetzen und selber zu vermessen beginnen. Dezentrale Ansätze sind sehr verlockend. Welche Beispiele erfolgreicher, lokaler Vernetzung gibt es?

Ein oft zitiertes Beispiel für eine Bottom-up Initiative ist Safecast.org aus Japan: Während des Reaktorunglücks in Fukushima, haben Mitglieder des Tokio Hackerspace begonnen, Geigerzähler mit dem Internet zu verbinden. So entstand eine Karte mit laufen aktualisierten Messwerten, trotz undurchsichtiger Informationspolitik der Regierung. Andere Citizen Sensing Projekte messen Luft- oder Wasserqualität. Das Projekt Dontflush.me warnt z.B. davor das Klo zu spülen, wenn der Abwasser-Pegel so hoch ist, dass ein Überlauf in angrenzende Gewässer droht. Diese Initiativen stehen meistens noch am Anfang. Das Problem bei billigen Sensoren ist oft die Kalibrierung und damit die Datenqualität.

Neben selbstgebauter Hardware werden natürlich auch die Sensoren genutzt, die schon heute in jedem Smartphone eingebaut sind. StreetBump.org benutzt Beschleunigungs-Sensoren und GPS, um den Reparaturbedarf des Strassennetzes automatisch zu erfassen. Die Gefahr von solchem «crowd-sourcing» ist vielleicht, dass Gemeinden zu viel auf ihre Bürger abschieben.

Im Gegensatz zu diesen Bottom-up Ideen sprechen Grosskonzerne gerne von Top-down Ansätzen. Zum Beispiel ist da die Idee einer Smart City, bei der die Stadtverwaltung dank Sensoren die Stadt besser «managen» und kontrollieren können sollte. Wie siehst du das?

Es ist klar, dass Verwaltungen sich einen digitalen Überblick und detaillierte Informationen wünschen. Technologie wurde schon vor dem Internet dazu eingesetzt, Bürger besser «lesbar» zu machen, um Steuern einzufordern und Aufstände frühzeitig zu verhindern (ein aufschlussreiches Buch dazu ist ‹Seeing like a State›  von James Scott). Hier setzen Grossfirmen wie IBM und Cisco an, um Smart City-Systeme mit Überwachungs- und Steuerzentralen an Stadtverwaltungen zu verkaufen. Getestet werden solche Systeme in EU-«Musterprojekten» wie Santander in Spanien oder Living PlanIT in Portugal, aber auch in Grossstädten wie Rio de Janeiro. Das Interesse der Bürger und Menschen, die eine Stadt nutzen, steht dabei nicht immer im Vordergrund. Da die Beschaffung solcher Infrastruktur nicht zwingend von den Bewohnern abgesegnet werden muss, ist es wichtig, die Leute frühzeitig zu sensibilisieren. Eine gute Einführung zum Thema bietet das Buch ‹Against the Smart City› von Adam Greenfield.

Braucht es eine Balance?

Natürlich ist nicht alles schwarz oder weiss. Es gibt durchaus sinnvolle Smart City Anwendungen. Viele Städte haben Bike-Sharing-Systeme eingeführt. In München ist es besonders einfach: Dort kann ich ein geliehenes Rad nach dem Gebrauch einfach stehen lassen. Dank GPS und Internet-Verbindung sagt es dem nächsten Benutzer, wo es gerade steht. Basis-Infrastruktur wie Glasfaser-Leitungen für Breitband-Internet oder öffentliche Wi-Fi Hotspots werden heute oft nur Top-down angeboten, von der Stadt, oder wenigen Netzwerk-Providern. Aber auch hier gibt es Initiativen wie FON, die private Wi-Fi Router öffentlich zugänglich machen, oder Love Hz, die unbenutzte Funkfrequenzen «besetzen», um Bottom-up eine alternative Netzwerk-Infrastruktur aufzubauen.

Die Medienkulturgespräche sind eine Reihe des Dock18 Institut für Medienkulturen der Welt. Daniel Boos und Mario Purkathofer recherchieren monatlich aktuelle Themen der neuen Medien und sprechen mit betroffenen Menschen auf verschiedenen Kanälen.
Links und Veranstaltungen: IoT Zürich Meetup, www.meetup.com/IoT-Zurich, Internet of Things Day, 9. Apri 2014, www.iotday.org

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