Heribert von Bienerts Internationales Modeshow- und Fotoinstitut veranstaltet nach eigenen Angaben jedes Jahr 120 Shows – Firmenanlässe, Bankette, Hochzeiten, Generalversammlungen – und bietet Coaching für angehende Models an. Daran alleine wäre an sich nichts Ungewöhnliches, bieten doch zahlreiche andere Modelschulen, Agenturen und Fotografen vergleichbare Dienstleistungen an. Ungewöhnlich ist allerdings seine Werbung. Seit mittlerweile zehn Jahren hängen die A4-grossen Annoncen in Zürich Aussersihl an Hauswänden zwischen der Schmiede Wiedikon, der Langstrasse und der Sihlporte. Doch statt auf seitenfüllende Fotografien und Hochglanzpapier setzt das Institut auf Schere, Leim und Leuchtstift: Die Anzeigen sind allesamt schwarzweiss kopierte Collagen, die verwendeten Text- und Bildelemente scheinen bis auf den Firmenblock aus Zeitung, Zeitschriften und Magazinen entnommen. Inhatlich bleiben jedoch keine Wünsche offen – von der „Steck-Kleider-Mode-Show” über die „Herren-Mode-Show” bis zur „Lack- und Plastik-Mode-Show”. Für die angebotenen Modeshows kümmert sich das Institut um Models, Sprecher, Effekte, Beleuchtung, Musik, Einlagen und Accessoires.
Für Tourneen in ganz Europa werden darum immer wieder auch Models und Dressmen gesucht. Eine Kontaktaufnahme gestaltet sich dabei jedoch als beinahe unmöglich. Auf den Anzeigen wird zwar regelmässig auf die zahlreichen Niederlassungen an guten Adressen in Zürich, Berlin, Lugano oder Dubai hingewiesen; zumindest in Zürich und Berlin lässt sich aber das Insitut an keiner der Adressen aufspüren. Das „Internationale Modeshow- und Fotoinstitut” scheint nur auf Plakaten zu existieren. Oder in meinem Kopf? Bis zu einem Anruf auf das Europa-Bild-Telefon… Protokoll einer Recherche.
22. Dezember 2009 – Langstrasse 71 – Erstes Plakat des „Internationalen Modeshow- u. Foto-Institut“ beim Gemüseladen Da Leo Sempre Fresco abgehägt. Von Steck-Kleider-Mode-Show über Herren-Mode-Show bis zu Lack- und Plastik-Mode-Show soll bei dem Institut alles zu haben sein.
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11. August 2010 – Birmensdorferstrasse 51/53 – Zwischen Finnlandia-Reisen und Caritas Kunst&Krempel: „Wie werde ich Model?“. Die „Schweizerische Manne-
quin- u. Fotomodell-Schule“ sucht neue Talente.
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29. November 2010 – Löwenstrasse 5 – Beim Coop Pronto, Anzeige für Versace. Danach inzwischen gegen 20 weitere Anzeigen von Heribert von Bienert an jeweils ungefähr denselben Stellen.
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21. Januar 2011 – Besuch an der auf den Plakaten angegebenen Militärstrasse 84 und an der Bahnhofstrasse 86. An keiner der angegebenen Adressen lässt sich das Modeshow-Institut ausfindig machen. A. Kupper, der mit seiner Galerie ebenfalls an der Militärstrasse 84 arbeitet, kennt das Institut nicht.
23. Januar 2012 – Berliner Zeitung, online – Reportage aus dem Jahr 1999 von Michael Prellberg; „Agentur am Kudamm will das jüngste Mannequin der Welt auf den Laufsteg schicken“. Heribert von Bienert ist doch kein Phantom. Das dort erwähnte Mannequin, Eva Burandt, lässt sich jedoch nicht ausfindig machen.
31. August 2012 – Kurfürstendamm 195, Berlin. An der Berliner Adresse des Modeshow- und Fotoinstitutes wird gerade saniert. Das Institut selber ist dort nicht auffindbar.
14. Dezember 2014 – Anruf bei Heribert und Liesel Bienert in Rockenhausen. Frau Bienert versichert mir, dass es sich bei dem Plakateur in Zürich nicht um ihren Mann handeln könne. Auch ein erneuter Besuch an der Militärstrasse 84 bringt mich nicht weiter. Auf den gut zwanzig Briefkästen finden sich geschätzte fünfzig Personen- oder Firmenbeschriftungen. Ein Salsa- und Merengue-Studio, eine Sprachschule, ein Treuhänder; das „Internationale Modeshow- und Fotoinstitut“ befindet sich jedoch nicht darunter. Auch als ich mich nach Heribert von Bienert erkundige, kann mir niemand weiterhelfen. An anderen Adressen sieht es nicht besser aus.
20. Dezember 2014 – Auf einem Plakat an der Birmensdorferstrasse ist die Nummer des „Europa-Bild-Telefon“ des Instituts vermerkt. Ein Herr Reinhold Daum, der für das Institut zu arbeiten scheint, weist umgehend darauf hin, dass sie mit der Presse nur schriftlich korrespondieren. Dennoch ist der Mann mit Berliner Akzent bereit, mir für gut eineinhalb Stunden das Tätigkeitsfeld des Instituts zu erläutern.
Das Institut – Das Institut wurde 1920 von Else Daum, einer Tante von Reinhold Daum gegründet. Mittlerweile scheint auch Herr Daum nicht mehr der Jüngste zu sein. Er selbst bezeichnet sich aber nach wie vor als fit wie ein Turnschuh.
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Die Mitarbeiter – Heribert von Bienert arbeite ebenfalls immer noch für das Institut, ebenfalls die deutsche Schauspielerin Katja Bienert, die in den 70er Jahren zuerst als Darstellerin in Erotikfilmen, später in den bekannteren deutschen Serien „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten” sowie „Praxis Bülowogen” bekannt war.
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Die Stadt Zürich – Reinhold Daum scheint sich in Zürich gut aus-zukennen, von Kaufleuten über Tesla Motors, Tchibo, Vior, Kalkbreite-Siedlung, Art of Kurry bis zum Pier 7 weiss er, wer darin verkehrt, welche Filiale früher darin beheimatet war und warum die „Mädchen” keine Tesla fahren würden: Das reiche nicht aus für Fahrten von Zürich nach Lugano retour.
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Das Netzwerk – Das Beziehungsgeflecht des Instituts reicht von der Nationalrätin-in-spe Magdalena Martullo-Blocher, über den ehemaligen deutschen Bundes-kanzler und Rechtsanwalt Gerhard Schröder, den Investor August von Finck Junior bis zur in Zürich wohnhaften Sängerin Tina Turner. Der Journalist Michael Prellberg, der vor über 15 Jahren die Reportage über das Insitut für die Berliner Zeitung geschrieben hatte, wird von Herrn Daum als „der Feind” bezeichnet.
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Die Adressen – Angesprochen auf die Adressen des Instituts – Militärstrasse 84 in Zürich, Bahnhofstrasse 86 in Zürich, Kurfürstendamm 195/196 in Berlin, Via Nassa in Lugano und Burjaman Hall in Dubai – erklärt Daum, dass es sich dabei zum Teil um alte Adressen handelt, die aber weitergeführt werden. Und diese alten Adressen – das sei wiederum bei Künstlern üblich – seien dann manchmal nur einen Monat mal besetzt.
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Die Ernüchterung – Die Überprüfung einzelner Angaben zeigt allerdings rasch, dass es sich dabei um gut verknüpfte, aber im Wesentlichen öffentlich verfügbare Informationen handelt. Keine der weiteren kontaktierten Personen konnte einen Kontakt mit dem Insitut bestätigen. Es scheint, als existiere das Insitut doch vor allem auf den Plakaten. Und in der fantastischen Welt von Reinhold Daum.