Weltweit treffen sich Gameentwickler einmal im Jahr zum dreitägigen Event «Global Game Jam». Das Dock18 Institut organisierte zum dritten Mal
in der Roten Fabrik den Schweizer Ableger; wir haben die Gelegenheit genutzt, einigen SpielemacherInnen Fragen zu dieser jungen Medien-
kulturform zu stellen.
Wie hiess deine erste Konsole, was
war dein erstes Spiel, das du hattest?
Janina Woods: Meine erste Konsole war der Gameboy, den ich mir gekauft habe, um Pokèmon spielen zu können. Dafür musste ich fast ein Jahr lang Taschengeld sparen. Der Gameboy liegt noch immer auf dem Wohnzimmertisch, meine Mutter spielt damit Tetris.
Markus Ruh: Ich bin mit Games aufgewachsen. Mein Vater hatte einen PC, auf diesem lernte ich als Zehnjähriger das Programmieren. Darauf spielte ich auch Spiele, vor allem alte Sierra Games, aber viel zu spielen begann ich erst mit zwölf, mit einem C64.
Ich fand immer Gründe, um eine Konsole zu kaufen. Die Playstation 2 habe ich gekauft, weil ich zwei Tage später eine Prüfung in Filmwissenschaften hatte, für die ich so gut vorbereitet war, dass ich etwas brauchte, um mich abzulenken.
Sven Hürlimann: Meine erste Konsole war eine Dreamcast, die mir mein Mitbewohner überlassen hatte. Danach habe ich sukzessiv alle Konsolen gekauft oder aus dem Müll gerettet. Als Kind konnte ich damit nur bei meinen Freunden spielen, da meine Eltern nichts vom Gamen hielten. Ich wurde mit dem IBM-PC computersozialisiert.
Reto Senn: Ich war jahrelang C64/Atari/PC Gamer. Meine erste Konsole kaufte ich in der Lehre: Zum Facts-Abo gab’s einen Gameboy Color mit Tetris dazu. Facts war ein Schundblatt, aber Tetris hat mich durch die RS begleitet.
Mario v. Rickenbach: Ich habe meine erste Konsole vor zwei Jahren gekauft: Ein Nintendo 3DS, den ich nach zwei Monaten nie mehr in die Hand genommen haben. Und kürzlich eine Ouya bestellt, mal schauen ob das nur ein Hype war. Grundsätzlich finde ich Konsolen eher überflüssig, da sie nur an Gamer gerichtet sind.
Christian Sigg: Von meiner Cousine habe ich einmal eine Nes ausgeliehen und die ganzen Sommerferien Super Mario Bros. gespielt. Seitdem nie mehr.
Welche Fähigkeiten werden bei Computerspielen
gefordert und was hast du durch Spiele gelernt?
Janina Woods: Spiele können die Reaktionszeit und die Fähigkeit zum Multitasking verbessern. Die meisten Spiele laufen unter Zeitdruck; man muss gleichzeitig verschiedene Details erkennen und schnell Entscheidungen fällen. Vor allem beim Onlinespielen mit anderen Menschen schult man Teamplay und Organisationsfähigkeit. All dies geschieht unterbewusst; man lernt spielend. Zum Beispiel beim neuen Game Rocksmith von Ubisoft: Da lernt man Gitarre spielen.
Markus Ruh: Ich glaube nicht, dass das gemeinsame Spielen für Menschen wichtig ist. Andere gemeinsame Tätigkeiten haben den gleichen sozialen Effekt. Die meisten der erlernten Fähigkeiten sind ausserhalb der Spielwelt nicht sehr nützlich. Ich habe dank den Spielen viel Geschichtliches gelernt und mein Rhythmusgefühl und Kopfrechnen verbessert.
Reto Senn: Dank Spielen habe ich Englisch, Reaktion und strategisches Denken gefördert, aber auch Grundlagen in Finanzen, die Grundzüge des Programmierens und das Ausnutzen von Sicherheitslücken gelernt – z.B. um unendlich viele Leben zu erhalten. Zudem die Anpassung und Verunstaltung von bestehenden Spielen, das sogenannte «modding», das heute meist offiziell erwünscht ist. Das Zusammenspielen mit Kollegen war immer sehr wichtig. Die schönsten Spiele finden in der Gruppe statt – egal ob Brett- oder Computerspiel.
Mario v. Rickenbach: Verlieren hab ich gelernt. Obwohl, nein, eigentlich kann ich es immer noch nicht.
Christian Sigg: Ja, die Regeln eines durchschnittlichen Computerspiels überfordern jeden Anfänger. Darum sind Tetris, Solitair und Angry Birds so beliebt. Ich spiele lieber mit Freunden als allein.
Kann man Spiele machen lernen und
worauf kommts beim Spieleentwickeln an?
Janina Woods: Ein Spiel hat viele Komponenten, die alle zusammenarbeiten. Man sollte das Spiel als Ganzes sehen können und verstehen, wie diese Teile zusammenarbeiten, auch wenn man sich nur für einen Teil wie Grafik oder Sounddesign interessiert. Vor allem aber sollte man Spass an der Arbeit und bei der Entwicklung haben, ohne den kann man nichts Spassiges für die Spieler herstellen.
Markus Ruh: Spiele machen lernt man am besten, indem man Spiele macht. Aus Büchern kann man einiges zum Thema lernen, Erfahrungen und Fehler muss man aber in der Praxis machen.
Sven Hürlimann: Ich glaube «Spiele machen» im einfachsten Sinn lernt man in der Kindheit: Extended Versteckis-Regeln, Lava-Ausweichen…
Reto Senn: Man braucht auf jeden Fall eine gewisse Neugier, den Willen Neues zu lernen und Bestehendes zu analysieren, logisches Denken, Kreativität und eine gehörige Portion Geduld.
Mario v. Rickenbach: Ideen hat jeder, die sind nichts wert – solange sie nicht in einem Prototyp ausprobiert wurden. Nur die Entscheidung, welche Idee man weiterzieht und welche nicht, ist wertvoll.
Christian Sigg: Im Rahmen einer Ausbildung ist es sicher einfacher, als es sich mit Hobbyprojekten selbst beizubringen. So oder so braucht es viel Zeit und Geduld.
Welche Erfahrungen hast Du
mit Gewalt in Spielen gemacht?
Janina Woods: Viele Spiele basieren auf Konfrontation; Kämpfe sind unausweichlich. Fast immer stehen dabei der Wettbewerb, die Fähigkeiten des Spielers im Vergleich mit anderen Spielern im Vordergrund. Für mich sind diese Aspekte das Spassige und Herausforderne am Spiel. Spiele, die Gewalt an sich zum Ziel haben, spiele ich nicht.
Markus Ruh: Als Kind habe ich alle möglichen Spiele gespielt; die grafischen Darstellungen von Gewalt waren damals im Vergleich heutigen Spielen natürlich harmlos, da die Pixelgrafik von damals nicht viele Details erlaubte.
Sven Hürlimann: Gewisse Bilder und Ideen widern mich an. Jedoch halte ich Ideologien und Verdrehungen für gefährlicher als reine Gewaltdarstellungen. Wenn zehnjährige Kinder den Irak-Krieg nachspielen, halte ich das für problematischer als explizite Gewaltdarstellungen.
Reto Senn: Ich finde psychologische Aspekte interessanter. Einfach schiessen – bumm – tot? Nicht sehr spannend. Moralische Konflikte machen es interessant, wie beim Spiel «The Walking Dead» bei dem man Leute leben lässt, die nachher durchdrehen und ein anderes Gruppenmitglied töten.
Mario v. Rickenbach: Ich habe getötet.
Christian Sigg: Gewalt im Spiel stösst mich ab, wenn sie nicht mit anderen Qualitäten aufgewogen wird.
Wie wird die Welt der Spiele in zehn Jahren aussehen?
Janina Woods: Spiele folgen der Hardware. Ich glaube, die Zukunft der Spiele ist mobil, sozial und augmented.
Markus Ruh: Ich warte seit Jahren auf etwas Ähnliches wie das Holodeck bei Star Trek, aber das wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern. Die Spieleindustrie wird sich stark verändern in den nächsten Jahren, vor allem durch technische Fortschritte – bei der Grafikleistung gibt es noch viele Verbesserungsmöglichkeiten. Ich bin vor allem gespannt auf neue Genres.
Sven Hürlimann: Das werden mir dann wohl meine Kinder zeigen. Keine Ahnung.
Reto Senn: Die Spiele werden emotionaler – es gibt immer mehr Spiele, die einen persönlich berühren. Unser Alltag wird auch immer mehr von spielerischen Elementen umwoben.
Mario v. Rickenbach: Die Entwicklung geht hoffentlich und voraussichtlich in verschiedene Richtungen: Grösser, kleiner, intelligenter, brutaler… Diversifizierung olé!
Christian Sigg: Ich wünsche mir, dass der Gamekultur mehr Anerkennung geschenkt wird als heute.
Interview von Mario Purkathofer