Läuft ein Feminismus der sich durch T-Shirts vermarkten lässt und darauf abzielt, sich tragen und kaufen zu lassen der eigentlichen Sache zuwider? Ein persönlicher Essay, der halbgare Versuch einer Antwort und die Einsicht, dass das alles komplexer ist, als paar Tausend Zeichen zulassen.
Die grösste Bedrohung für den Feminismus ist der Feminismus selbst. Natürlich stimmt diese Aussage nicht und eine Aufzählung der externen Feinde des Feminismus erübrigt sich an dieser Stelle zu Gunsten der psychischen Gesundheit der Autorin. Doch die obige Aussage schoss mir durch den Kopf, als ich die Anfrage für einen Artikel in dieser Ausgabe zum Thema innere und äussere Angriffe auf politische und Widerstandsbewegungen bekam.
Auch wenn ich mich nach Jahren der (nicht graduellen) Politisierung weitgehend von einem bürgerlichen Feminismus-Begriff verabschiedet habe, und stattdessen lieber von einem (revolutionären) Frauenkampf spreche, möchte ich mich dennoch mit dem Feminismus als «Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen […] und der patriarchalischen Kultur anstrebt» (danke Wikipedia) auseinandersetzen und mit der Frage: Hat der Feminismus durch seine eigene Kapitalisierung an Substanz und Schlagkraftverloren?
Denn es ist doch so: In seiner konsumierbaren Form ist Feminismus allgegenwärtig. Dabei geht es aber nicht um Rechte, um Sicherheit, um physische und psychische Unver-sehrtheit und Gleichwertigkeit, sondern um Performance.
Von Zetkin zu CEO
Was ist damit gemeint? Nun, zuallererst gilt es, (und das ist jetzt so stark vereinfacht, dass es weh tut aber so ist das nun mal im Leben) zwischen bürgerlichem Feminismus und einem revolutionären oder materialistischen Feminismus
zu unterscheiden, was übrigens auch beim Queerfeminismus der Fall ist, der ebenfalls revolutionäre sowie bürgerliche Strömungen in sich vereint.
«Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschliesslich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein. Nur in der sozialistischen Gesellschaft werden die Frauen wie die Arbeiter in den Vollbesitz ihrer Rechte gelangen», so ein bekanntes Zitat der 1933 verstorbenen, deutschen Kommunistin Clara Zetkin. Das Patriarchat ist gemäss Zetkin und ihrer Sinnesgenoss*innen ein kapitalistisches Konstrukt und die beide voneinander untrennbar, die Überwindung des Patriarchats ohne eine Überwindung des Kapitalismus also unmöglich und jeder Schritt, der diese Verkettung nicht miteinschliesst, ist im besten Fall Reformismus, im schlimmsten Fall Kosmetik. Manche Vertreterinnen dieser Ansicht bezeichnen den Frauenkampf hierbei (nicht unwidersprochen und nicht unumstritten) als Nebenwiderspruch der Klassenfrage. Kurzum: Ein Feminismus, der nicht darauf abzielt, die grundlegenden Verhältnisse zu verändern und individuelle Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten vor systemischen Wandel setzt, sei ein zahnloser Tiger.
Der bürgerliche Feminismus dagegen propagiert Frauen in den Führungsetagen und an den Schalthebeln der Macht, in der Innen- und Aussenpolitik, als CEO’s, als Mütter mit Vollzeitstelle, als erfolgreiche Astrophysikerinnen und Spitzensportlerinnen. Kurzum: Innerhalb eines als gegeben angesehenen ökonomischen Systems sollen Frauen dieselbe Rechte (und teilweise auch Pflichten) erhalten wie Männer und sich gleichzeitig von deren Einfluss emanzipieren. Die Verkettung von Patriarchat und Kapital ist hier weniger präsent. Es geht vielmehr darum Frauen ein gleichberechtigtes, gutes und sicheres Leben innerhalb der bestehenden ökonomischen Verhältnisse zu ermöglichen, beziehungsweise diese zu reformieren und zu feminisieren. Es geht nicht darum, diese als solche aufzulösen.
Die Rolle des Individuums war innerhalb des bürgerlichen Feminismus zwar immer stärker als innerhalb revolutionärere Ansichten, doch sind Errungenschaften wie Wahl- und Stimmrecht, diverse Selbstbestimmungsrechte und Gesetze zum Schutz von Frauen zumindest in Teilen unbestritten auf bürgerlich-feministische Bestrebungen zurückzuführen. Grosse Errungenschaften, die für zahlreiche, wenn auch nicht alle Frauen grosse, fassbare Besserungen darstellten und die oftmals von revolutionären Feministinnen angetrieben, aber von Bürgerlichen ins Ziel gebracht wurden.
Ob der Pop- und Lifestylefeminismus des letzten Jahrzehnts also eine neue, eigene Richtung konstituiert oder eher eine natürliche Folge eines bürgerlichen Feminismus, der schon sehr viel erreicht hat, darstellt, ist umstritten. Unumstritten ist jedoch seine Präsenz sowie sein Einfluss.
Keine einfache Frage
Von Zalando bis H&M bedienen sich immer mehr Mode- und Kosmetikmarken in ihrer Werbung einer Art «Frauenpower-Ästhetik» und scheinen damit erfolgreich zu sein. Marken, die etwa unterschiedliche (Frauen-) Körper oder solche von trans- oder non-binären Personen und Personen mit Behinderung in ihre Werbung auf-nehmen gelten als woke und somit moralisch vertretbarer als andere. Galaxus schaltet Werbungen mit einem Genderstern und diverse kleine und grosse Unternehmen werben mit dem Slogan «Female owned». Geschäftsfrauen heissen jetzt Girlbosses und deren Produkte gilt es zu kaufen, denn sie sind Teil eines Empowerments. Girlboss, das klingt auch besser als Emanze und erfolgreicher als Feministin, denn ein Boss hat Macht, sowohl die emanzipative Macht der Selbstbestimmung als auch Marktmacht und die Macht über andere. Wenn das jetzt alles zugespitzt und zynisch klingt dann ist das beabsichtig, denn diese Eindeutigkeit funktioniert eben nur bei bewusster Zuspitzung.
Die Frage nach dem Pop- beziehungsweise Life-stylefeminismus, nach der Monetarisierbarkeit, vor allem aber vollständigen Individualisierung feministischer Ideale ist eine endlose Grauzone und die Performance der eigenen politischen Einstellung so umstritten wie alt. Doch die Performance schafft Zugehörigkeit und Zugehörigkeit stärkt, macht resilient und ausdauernd. Kann es also falsch sein seine feministische Einstellung nach aussen zu tragen, um gesehen zu werden? Was ist mit dem Verbrennen von BHs und dem nicht Rasieren der Beine oder Achseln? Auch das sind performative Handlungen, eine Feier der Selbstbestimmung, ein individueller Akt der kollektiv ausgeführt eine gewisse politische Sprengkraft hat.
Und: Wenn man sich erst mal damit abfindet, dass es kein Richtiges im Falschen gibt wird das Ganze noch viel verworrener. Eine Marke die auf (grösstenteils feminisierte) Billigarbeit, Ausbeutung der Arbeitskraft im Verkauf und sexistische Werbemittel setzt, dann aber ein Shirt mit der Aufschrift «Feminist» verkauft, ist einfach als Nutzniesserin zu durchschauen. Doch was ist mit Musik, die von feministischen Bands gemacht wird? Der feministisch-politische Aspekt ist hier genauso ein Verkaufsasset wie bei dem Shirt, doch die Absenderinnen meinen es wahrscheinlich ernst mit ihren antipatriarchalen Texten. Oder ein linkes Kollektiv von, sagen wir, queeren Women Of Color, die T-Shirts mit feministischen Aufschriften verkaufen, um sich damit einen Lebensunterhalt zu verdienen, ist das Kleinkapitalismus? Ist es Appropriation politscher Konzepte? Und was ist dann mit Menschen, die feminis-tische Symbole in patriarchalen Kontexten offen zur Schau tragen, um sich Sichtbarkeit zu verschaffen und zu provozieren? Ist das an sich ein feministischer Widerstands-akt oder performatives Feel Good? Kann nicht auch durch Performance, einen Kaufakt oder die popkulturelle Omnipräsenz eines Themas eine weitere Politisierung angestossen werden? Als flankierende Massnahme gelten für einen unglaublich unfertigen Kampf? Wie steinig und wie verworren ist der Weg von Emma Watson zu Rosa Luxemburg? Und welche Abzweigungen gibt es darauf zu beachten? Schadet der Popfeminismus der Frauenbe-wegung, trägt sich der Feminismus durch komplette Marktkonformität und Individualisierung selbst zu Grabe und verkommt zur leeren Phrase oder wirkt er eher supplementär, unterstützend?
Ein Konzept der Privilegierten
Eine einfache Antwort auf diese Fragen gibt es wahrscheinlich nicht. Klar ist, dass Pop-, beziehungsweise Lifestylefeminismus ein privilegiertes Konzept ist. Feminismus (wiederholt) gegen aussen zu performen erfordert Geld, Zeit und auch die Sicherheit für einen Akt der Selbstbestimmung nicht mit dem Leben zu bezahlen. Entsprechend kommt auch das, was sich aus dem Lifestyle-feminismus für das Individuum, wie auch für «die Frauen» als Ganzes gewinnen lässt, primär bereits privilegierten Frauen zugute. Und: Sich auf den konsumierbaren Life-stylefeminismus einlassen zu können ist der Verdienst
von Generationen von Frauen, revolutionären wie reformistischen, die ein Fundament von Grundrechten und Freiheiten erkämpfte, auf dem wir heute stehen, mit all den individuellen Freiheiten, freien Konsumentscheidungen und Performancemöglichkeiten, die bisher genannt wurden. Das darf man nicht vergessen, genauso wenig, wie das mit Popfeminismus allein, noch kein wirklicher Fortschritt zu erwarten ist. Auf alles andere aber, habe ich keine Antwort.