Um den Kinozuschauer ganz und gar in die dargebotene Geschichte eintauchen zu lassen, wollen die meisten Filme jeglichen Hinweis auf ihre Gemachtheit verstecken. Manche Regisseure versuchen aber, die Entstehungsbedingungen der Filme in den Filmen selbst zu reflektieren. So macht Jean-Luc Godard die Willkür mancher Schnitte deutlich oder tritt gelegentlich selbst vor die Kamera. Abbas Kiarostami löst am Ende von «Ta’m e guilass»/ «Der Geschmack der Kirsche» (1997) die filmische Fiktion auf und zeigt den Zuschauern das gesamte Set mit Schauspielern und Tonleuten. Das Genre des Road Movie bricht den Erzählraum des Films nicht so entschieden auf. Im Road Movie wird die Beziehung von Bild und Geschichte nur ein wenig gelockert. Die HeldInnen dieser Filme reisen durch Naturlandschaften, die durch die Montage gleichzeitig zu inneren Landschaften werden. Die Natur ist als solche wahrnehmbar, zugleich spiegelt sie das Seelenleben der Protagonisten wider. Während Mr. Badii in der «Der Geschmack der Kirsche» einen Totengräber sucht, der ihn nach seinem Suizid beerdigen soll, rollt sein Geländewagen durch eine staubige, wüstenartige Berglandschaft. Als durch die Begegnung mit einem Tierpräparator ein hoffnungsvollerer Ton anklingt, fahren die beiden Männer durch einen lichtdurchfluteten, gelb-rot-golden leuchtenden Wald. Das Road Movie entsteht aus dem amerikanischen Genrefilm und bricht dessen geschlossene Mythologien auf, um eine konkretere und aktuellere gesellschaftliche Verortung der Filme zu ermöglichen. Der europäische Autorenfilm deckt eine medientechnische Parallele zwischen dem Autofahren und dem Filmemachen auf. So erweist sich das Road Movie als das filmischste aller Filmgenres. In diesem Text versuche ich, das Autofahren in den Werken von Jafer Panahi und Abbas Kiarostami in der Geschichte des Road Movies zu verorten.
Eine zweite Chance
Die genrebildende Bewegung des Road Movies besteht darin, die Stadt hinter sich zu lassen und durch die unbesiedelte Landschaft zu reisen. Dabei ist das Road Movie zunächst ein US-amerikanisches Filmgenre. Vielleicht ist die Natur in Europa von zu starken und zu vielen politischen und kulturellen Grenzen durchzogen. Eine Reise kann dort nicht lang genug dauern, um eine nachhaltig loslösende Wirkung zu haben. In Europa scheint es unmöglich zu sein, den Reisenden auf drastische Weise mit sich selbst zu konfrontieren.
Der Western gilt als Vorläufer des Road Movie. In zahllosen Western müssen einsame Helden und gelegentlich auch HeldInnen durch das kaum zu überblickende Territorium der Vereinigten Staaten reiten. Das durch den Genozid an den Ureinwohnern kaum bevölkerte Land ist wie eine Bühne, auf der sich jeder begegnen kann. Der Stummfilmwestern erzählt den Kampf um Ressourcen und um das Überleben. John Fords «Stagecoach» (1939) wird oft als frühes Road Movie charakterisiert. Der Film spielt in einer Postkutsche, hinter der sich das Monument Valley als Fords Signature Landschaft erhebt. Mit diesem Film setzte das Western-Revival der 1940er Jahre ein. Nun geht es um mehr als um Ressourcen. Die einzelnen Stakeholder handeln die Bedingungen der Besiedlung der USA und die Grenzen und Regeln der neuen Gesellschaft aus. Die Polizei versucht eine Definition von Rechtsstaatlichkeit zu entwickeln, die Bauern spannen ihre Zäune in der grenzenlosen Prärie der Viehbarone, in den Westernstädten kämpft die Moral eines entstehenden Kleinbürgertums gegen den Alkohol und die Erotik des Saloons. In «Stagecoach» ist jeder Insasse der Kutsche durch eigenes oder fremdes Verschulden daran gescheitert, seinen Beitrag zur neuen Gesellschaft zu leisten. So bekommt er oder sie von der Straße eine zweite Chance. John Wayne spielt einen Kleinkriminellen, der im Gefängnis saß, als sein Vater und sein Bruder ermordet wurden. Er muss begreifen, dass es besser ist, die geliebte Frau zu heiraten als Rache zu üben. Der alkoholkranke Arzt muss ein Kind zu Welt bringen und bereit sein, die Mutter vor der Schändung durch die angreifenden Indianer zu bewahren, indem er sie auf ihren Wunsch hin tötet.
Die Postkutsche gewährt eine Veränderung, die daheim unmöglich ist. Ein Road Movie ist der Western aber noch nicht: Ihm fehlt das negative oder offene Ende. Darüber hinaus die Autos und die Straßen. In den Fahrzeugen und dem Verkehrsnetz spiegelt sich die technische Apparatur des Kinos. Der Film befindet sich auf einem vergleichbaren technischen Niveau wie der motorisierte Verkehr. Sie haben einen ähnlichen Effekt auf ihre Nutzer: Das Kino und das Autofahren lassen uns in einen Sitz sinken, machen uns zum Zuschauer. Ferner verwandeln sie Bewegung in ein Bild. So lässt das Road Movie die Landschaft auf der Leinwand vorbeiziehen wie vor der Windschutzscheibe. Der (analoge) Kinematograph stellt aus Einzelbildern die Illusion einer kontinuierlichen Bewegung her. Der Verbrennungsmotor setzt die Abfolge einzelner Explosionen des Kraftstoffs in die fließende Bewegung der Räder um.
Real People Die
Der Western ist nur einer der Vorläufer des Road Movie. Tatsächlich beginnt es mit der Weltwirtschaftskrise nach dem Börsencrash von 1929. Ein Heer von Arbeitslosen reiste meistens auf Zügen auf der Suche nach einem Job durch die USA. In «Wild Boys on the Road» (1933) von William Wellman bricht eine Gruppe von Jugendlichen aus Chicago auf. Die jungen Menschen wollen ihren mittellosen Eltern nicht mehr zur Last fallen. Auf einer furchtbaren Reise nach Osten werden sie Opfer kleiner und großer Verbrechen und von einem bösartigen und zynischen Staatsapparat kriminalisiert. Erst in den allerletzten Minuten des Films lässt Wellmann einen leisen Optimismus anklingen. Das hochkulturelle Gegenstück zu «Wild Boys» ist John Fords John-Steinbeck-Verfilmung «Grapes of Wrath» (1940). Ford hebt das Leid der verarmten Menschen genauso wenig durch eine Geschichte auf wie Wellman. Die Krise kann durch keine erzählerische Operation relativiert werden. Vielleicht ist dies der Keim von Modernität, der die offene Form des Road Movies ermöglicht.
Bezeichnenderweise sind auch einige der einflussreichen Road Movies der Nachkriegszeit in der Zeit der Wirtschaftskrise angesiedelt. 1967 stieß «Bonnie & Clyde» die Tür zum New American Cinema auf. Bonnie ist eine Kaugummi kauende Kellnerin, sie lernt Clyde kennen, als er versucht, den Wagen ihrer Mutter zu klauen. Beim Ausrauben von Banken stellen sich die beiden ungeschickt an, beim Töten weniger. «In Bonnie & Clyde real people die», schrieb der Filmkritiker Robert Ebert. Die beiden werden weder psychologisiert, noch moralisiert oder politisiert. Sie genießen es, auf den Zeitungsseiten zu erscheinen und die Menschen vom Elend der Depression abzulenken, erklären sie. Clyde fotografiert Bonnie und schickt die Bilder zusammen mit selbst geschriebenen Gedichten an Tageszeitungen. Sie hatten Spaß daran, Celebreties zu werden. Diese mediale Dimension ist für das Road Movie immer von Bedeutung. Die Filmkamera macht kein optisch Unbewusstes (Walter Benjamin) sichtbar, wohl aber ein medial Unbewusstes: Wenn von den Taten des Paares in der Zeitung berichtet wird, befinden sich die beiden bereits an einem anderen, unbekannten, sicheren Ort. Ihr Celebrity Status als raubendes Pärchen ist nur in einer bestimmten, medialen Konstellation möglich: Der tägliche Erscheinungszyklus der Zeitungen gewährt ihnen zugleich Schutz und Sichtbarkeit.
Motorradfilme wie «The Wild One» (1953) mit Marlon Brando oder «Hells Angels On Wheels» (1967) mit Jack Nicholson sind eher Exploitation-Filme oder Dokumente einer bestimmten Subkultur als Road Movies. Als einem der wenigen Motorradfilme gelingt es «Easy Rider» (1969), das Motorradfahren mit dem gegenkulturellen Aufbruch der sechziger Jahre zu verbinden. Den Film im Kino anzuschauen und wie seine Helden zu kiffen war in den frühen siebziger Jahren ein weitverbreitetes Ritual. Die Kritikerin Pauline Kael schrieb: «The movie’s sentimental paranoia obviously rang true to a large young audience’s vision. In the late 60s, it was cool to feel that you couldn’t win, that everything was rigged and hopeless. The film was infused with an elegiac sense of American failure.» Kael unterschätzt den Film. Dennis Hopper und Peter Fonda nehmen die US-amerikanische Idee totaler, individueller Freiheit beim Wort, um sich noch mehr dem Rausch der Bewegung als dem Rausch der Drogen hinzugeben. Eine Generation rätselte darüber, was Peter Fonda mit dem Satz «We blew it» am Ende des Films meinte. Erahnt er die eigene Ermordung durch intolerante Hillbillies? Oder begreift er, dass die beiden den Kontakt zur Macht nicht gekappt hatten? Ihren Ausstieg aus der Normalität finanzieren sie schließlich, indem sie Kokain aus Mexiko nach Los Angeles schmuggeln und an den Rolls Royce fahrenden Pop-Produzenten Phil Spector verkaufen.
Kino im Kino
Das amerikanische Road Movie entsteht aus dem Scheitern der Fiktionalisierung der Great Depression und aus dem Scheitern des gegenkulturellen Aufbruchs der sechziger Jahre. Das Zeitgeschichtliche wird dabei mit Genreelementen verbunden, etwa des Gangsterfilms. Das europäische Road Movie beginnt als Setzung tonangebender Autorenfilmer. In «Viaggio in Italia» (1954) begreift ein britisches Ehepaar auf einer Bildungsreise durch Italien, dass ihre Beziehung hinfällig ist und trennt sich. Weder findet eine Entgrenzung durch die überwältigende Natur statt, noch wird die Landschaft ein Spiegel des Selbst. Der Verlust der alltäglichen Rituale und das ständige Zusammensein beim Reisen decken die Mangelhaftigkeit der Beziehung auf. In Jean-Luc Godards «Weekend» (1968) arten die Staus auf den französischen Autobahnen in den Sommerferien zu einer Rebellion aus, bei der sich verschiedene Parteien in einem Guerillakrieg bekämpfen und auf grausame Weise massakrieren. Anders als im amerikanischen Film sind keine zentralen Protagonisten nötig, um einen gesellschaftlichen Zustand zu beschreiben. Godard verbindet das Mobilitätsversprechen nicht mit individueller Freiheit, sondern mit Anarchie und Krieg. Den thesenartigen Charakter dieser beiden Filme konnte das europäische Road Movie so gut wie nie abstreifen. Die einzelnen Filme verdichteten sich nicht zu einem Genre. Wim Wenders stellte das Road Movie sogar ins Zentrum seiner Arbeit, die Filme blieben aber doch eher Kommentar, erschufen keine eigene kulturelle Form. Wenders orientiert sich dabei noch mehr als die anderen europäischen Auteurs am amerikanischen Road Movie. Die besondere Qualität seiner Filme liegt darin, dass er das Reisen nicht oder nur minimal mit Geschichten auflädt. Die vergleichsweise unbestimmten Figuren bekommen durch die opaken Landschaften einen Resonanzraum. In seinem frühen Film «Summer in the City» spiegeln die winterlichen, in weißes Neonlicht getauchten Einkaufsstraßen in Berlin und München die Melancholie und Einsamkeit des gerade aus dem Gefängnis entlassenen Hans (Hanns Zischler) wider. In «Alice in den Städten» bringen die Werbebotschaften des US-amerikanischen TVs und Radios den Journalisten Philip Winter (Rüdiger Vogler) um den Verstand. Er findet sich wieder, als er mit der neunjährigen Alice (Yella Rottländer) nach dem Haus ihrer Großmutter im Ruhrgebiet sucht, nachdem Alice´ Mutter Philip das Kind in New York anvertraute. Alice kann sich weder an die Stadt noch an die Straße erinnern, es gibt lediglich ein Foto des Hauses. Der Film erzählt die Freundschaft zwischen dem Mann und dem Kind, die aus der gemeinsamen Lust am Reisen entsteht. Die eigentümliche Suche nach dem Haus auf dem Foto ist ermüdend und hat doch eine klärende Wirkung auf Philips Verstand. Der Film ist so einzigartig, weil das Gesicht des Kindes die ambivalenten Gefühle zwischen dem Vergnügen an der Bewegung und der Lust auf das Unbekannte auf der einen Seite und die Verlorenheit auf der anderen noch direkter zum Ausdruck bringt als das eines Erwachsenen.
In «Im Lauf der Zeit» (1976) fährt der einsilbige Bruno (wieder Rüdiger Vogler) die Kinos entlang der deutsch-deutschen Grenze ab und wartet und repariert dort die Projektoren. Der Lebensinhalt dieses Mannes besteht fast allein im Kino und im Autofahren. Das Kino hat lediglich sich selbst zum Gegenstand. Wenders erreicht da einen Endpunkt, der im Road Movie von Beginn an angelegt ist. So bleibt ihm in seinem späten Road Movie «Paris, Texas» (1984) nichts anderes übrig, als das auf Entgrenzung angelegte Genre in ein vergleichsweise konventionelles Familiendrama zu integrieren.
Der Junge auf dem Filmplakat
Das postmoderne Road Movie der 1980er und 1990er Jahre stellt dem Purismus und der Isolation seiner modernistischen Vorgänger einen überbordenden Reichtum an Figuren und Identitäten entgegen. Der Freiraum der Straße dient dazu, alle möglichen Identitätsentwürfe zu entfalten. Bei «The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert» (1994) reisen zwei Drag Queens und eine Transsexuelle durch Australien, um ihr besonderes Cabaret aufzuführen. Bei «Near Dark» (1987) von Kathryn Bigelow sind Vampire in einem Wohnmobil unterwegs, auf der Suche nach Blut und Liebe. Bei «Thelma & Luise» (1994) geht es um Feminismus, bei «Natural Born Killers» (1994) um Medienkritik bzw. -Satire. Das überraschendste Road Movie dieser Zeit ist «My Own Private Idaho» (1994) von Gus van Sant; Road Movies sind Geschichten unwahrscheinlicher Solidarität, egal wie affirmativ oder kritisch sie sind. Dieser Film aber erzählt das Auseinanderbrechen dieser Solidarität. Der eine Stricher kehrt in die Bürgerlichkeit zurück, der andere geht (wahrscheinlich) zu Grunde. Nicht weniger originell ist David Lynchs «Wild at Heart» (1990). Lynch dekonstruiert die Modernität des Road Movies zweifach. Zum einen ist das Reisen nutzlos, weil man eh überall den Handlagern der bösen Schwiegermutter begegnet. Zum anderen muss Sailor (Nicholas Cage) begreifen, dass er zum Familienvater gemacht ist und nicht zum Drifter.
Die iranischen Road Movies knüpfen, obwohl sie aus der jetzigen Zeit stammen, an die Filme aus jenen bereits vergangenen Epochen an. Jafer Panahis «Taxi» (2015) spielt fast vollständig in einem Taxi, «Crimson Gold» (2003) auf einem Roller. Weil die Filme in Teheran angesiedelt sind und vom Stadtleben handeln, sind sie keine Road Movies. Eher wird in oder auf den Fahrzeugen der öffentlicher Raum geschaffen, den es in dem Gottesstaat nicht gibt. Das Auto ist ein Schutzraum. Es lässt am Stadtleben teilhaben, schützt aber vor den Blicken der Staatsmacht und ihren Handlangern, die besonders Frauen in ihre vermeintlich natürlichen Rollen verweisen wollen. So wird das Auto zu einem öffentlichen Raum, in dem sich Menschen temporär von den Machtverhältnissen lösen können.
Jenseits einzelner Verkehrsmittel geht es in den Filmen von Abbas Kiarostami von Anfang an um Distanzen, die zurückgelegt werden müssen. Sein erster langer Film «Mossafer» / «Der Reisende» (1974) handelt von einem Jungen, der nach Teheran fährt, um ein Fußballspiel zu sehen. Sein zweiter Film erzählt die Geschichte eines Schülers, der seinem im Nachbardorf lebenden Freund dessen Hausaufgabenheft bringen muss, das er versehentlich eingesteckt hat. Dieser Film entstand in Manjil-Rudbar, das 1990 von einem starken Erdbeben heimgesucht wurde. 40.000 Menschen kamen ums Leben. In «Zendegi va digar hitch» / «Und das Leben geht weiter» (1992) versucht der durch einen Schauspieler dargestellte Kiarostami herauszufinden, ob die Laiendarsteller aus seinem letzten Film noch am Leben sind. Wie Philip und Alice in «Alice in den Städten» anhand eines Fotos nach einem Haus fahnden, sucht in diesem Film der Regisseur (Farhad Kheradmand) anhand eines Filmplakats nach den Jungen. Der Regisseur verlässt seinen Wagen selten und hat an der Katastrophe nur als Beobachter Teil: Zahllose Bewohner der Region treten an ihn heran und berichten von ihren furchtbaren Erlebnissen. Gleichzeitig beobachtet er, wie sie ihr Leben wieder aufnehmen. Obwohl der Film viele dokumentarische Elemente enthält, ist es doch kein Dokumentarfilm. Er hat aber auch keine Geschichte. Der Regisseur handelt nicht, er fragt und beobachtet. Die Motivation liegt außerhalb des Erzählraums, in dem früheren Film. Kiarostami erschafft eine besondere Art der Teilhabe, sein Blick ist emphatischer als der eines Dokumentarfilms. Dennoch maßt er sich nicht an, aus dem Unglück eine Geschichte zu entwickeln.
«Ta’m e guilass» / «Der Geschmack der Kirsche» (1997) und «Bad ma ra khahad bord» / «Der Wind wird uns tragen» (1999) sind Kiarostamis gewaltigste Filme. Bei «Der Geschmack der Kirsche» fährt der anfangs erwähnte Badii, (Homayoun Ershadi) in einem Geländewagen durch eine wüstenartige Berglandschaft. Er hat vor, sich das Leben zu nehmen und sucht einen Menschen, der seine Leiche mit Erde bedeckt, der ihn begräbt, und bietet dafür eine hohe Geldsumme an. Ein junger Soldat stürzt erschreckt weg, als er ihm das Ansinnen erklärt. Ein junger Geistlicher sagt, dass der Selbstmord im Islam verboten ist. Dann trifft Badii einen alten Mann, der in einem Naturkundemuseum das Ausstopfen von Tieren lehrt. Er ist bereit Badii zu helfen, weil er die teure Operation seines Kindes bezahlen muss. Geldmangel und Familienprobleme seien meistens die Gründe für Suizid, sagt der Alte. Damit seien sie überraschend banal und lösbar. In der letzten Szene des Films steht Badii vor seinem Grab. Aber plötzlich ist er nicht mehr Badii, sondern der Schauspieler Homayoun Ershadi und wir sehen auch Kiarostami, die Komparsen und das Filmteam. Bei aller Empathie gegenüber dem verzweifelten Mann kann das Road Movie den Verweis auf seine Gemachtheit nicht unterdrücken. Der Wunsch, beerdigt zu werden, erfordert Begegnungen und Beziehungen, die auch wieder eine Lebenszugewandtheit ermöglichen.
Nach «Bad ma ra khahad bord» / «Der Wind wird uns tragen» hat Kiarostami die Arbeit mit der analogen Filmkamera aufgegeben und begonnen, ausschließlich digitale Bilder zu produzieren. Damit ist auch das Road Movie aus seinem Werk verschwunden. Das Road Movie scheint an den 35mm Film gebunden zu sein. Vielleicht entstehen Road Movies heute ganz anders, ohne Filmkamera und ohne die Vision eines Auteurs, sondern durch die unermüdliche Arbeit der Überwachungskameras, die das Geschehen auf den Straßen filmen. Oder in den Smartphones, die die Menschen bei der Fahrt aus dem Fenster halten.