Futurologen, Trendforscher, Visionäre, Science Fiction Autoren berichten uns heute schon von der Zukunft. Sie beschreiben die zukünftige komplette digitale Vernetzung, das Ergrauen der EuropäerInnen, den Klimakollaps etc. Der Verein «Danach» setzt sich ebenfalls mit der Zukunft auseinander und geht der Frage nach, wie wir gemeinsam einen zukunftsfähigen Lebensstil gestalten können. Ein Email-Gespräch.
Dock18: Was heisst für euch Zukunft?
«Danach»: Unsere Zukunft hat gestern begonnen, deswegen ist Danach jetzt. Die Konsequenzen der bisherigen Ernährungs-, Konsum- und Siedlungsmuster und die krisengebeutelte Finanzindustrie werden uns in der kommenden Zeit vor grosse Herausforderungen stellen. Um in der Welt von morgen allen ein komfortables Leben einzurichten, welches unsere Lebensgrundlage nicht noch weiter zerstört, müssen wir tiefgehende Eingriffe vornehmen.
Viele in unserer Gesellschaft spüren: So wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen. So stellen auch wir uns die Frage: Was wird, wenn wir uns von der Wachstumslogik gelöst haben und die Energiewende geschafft ist? Wenn wir die Ressourcen wertschätzend zu nutzen wissen und sie nicht mehr ausbeuten? Diese Zukunft liegt in unseren Händen, denn Lösungsansätze sind vorhanden und unzählige, zivilgesellschaftliche Initiativen setzen sie bereits um.
Von welchen Themen und von welchem Zeitraum sprecht ihr?
Für das Danach braucht es eine neue Art des Wirtschaftens und Zusammenlebens. Die Umsetzung würde durch die Etablierung der Permakultur und einer Suffizienzstrategie erfolgen, die sich auf einen Wandel von Lebensstilen, Versorgungsmustern, Produktionsweisen und auf institutionelle Innovationen im Bereich des Umgangs mit Geld und Boden beziehen. Wie lange die Entwicklungsschritte hin zu einer neuen Ökonomie dauern, lässt sich schwer voraussagen. Um diese Schritte zu beschleunigen, bieten wir Organisationen und Fachleuten eine Plattform zur gezielten Vernetzung und Verbreitung ihrer Lösungsansätze. Dies sowohl mit Veranstaltungen, Aktionen wie auch Öffentlichkeitsarbeit. Ein Netzwerk aus regionalen Vertragslandwirtschaften, Vereinen, NGO’s, FabLabs, Coworking-Büros, Wohnbaugenossenschaften, Regional- und Zeitwährungen, Repair Cafés, etc. wirkt und agiert auf verschiedenen unterschiedlichen Stufen. Das Ziel ist es, die kritische Masse zu erreichen, um uns schneller auf den Weg einer Postwachstumsökonomie zu bringen.
Was ist eure Vision der Zukunft? Was ändert sich? Was bleibt gleich?
Es geht schlussendlich darum, dass jeder seinen Teil dazu beitragen kann, diesen Wandel zu vollbringen. Neue Anreize sollen gesetzt werden; als Konsumenten und Produzenten sind uns da heutzutage viele Möglichkeiten geboten. Wenn wir als sogenannte Prosumenten eine Kreislaufwirtschaft entstehen lassen wollen, bedingt es aber auch einer Befreiung von dem Ballast – einer Entrümpelung. Sich allem zu entledigen was Zeit, Geld, Raum und ökologische Ressourcen beansprucht, aber nur minimalen Nutzen stiftet.
Der nächste Schritt wäre dann, die Balance zwischen Fremd- und Selbstversorgung zu finden. Versorgungsstrukturen sind sozial stabil innerhalb von nachhaltigen multifunktionalen Nachbarschaften, in denen der grösste Teil dessen, was es zu einem guten Leben braucht, in Pantoffeldistanz verfügbar ist. So wird auch die Reaktivierung der eigenen Kompetenzen erforderlich, um die Bedürfnisse jenseits der kommerziellen Märkte zu befriedigen.
Die Geldabhängigkeit kann mittels Quartierwährungen und cleveren Sharing-Konzepten, welche das Teilen, Tauschen und Schenken fördern, auf ein Minimum reduziert werden. Diese multifunktionalen Nachbarschaften können in die Regionalökonomie integriert werden. Eine eigene Regio-Währung und verkürzte Wertschöpfungsketten sind hilfreich für die Umverteilung der Erwerbsarbeit und ermöglichen flexible Arbeitsformen.
Wenn wir aber weiterhin die Ressourcen ausbeuten und in einer Wirtschaft agieren, in welcher wir uns konkurrieren statt zu kooperieren, dann wird vieles ziemlich gleich bleiben. Dann wird es nach Aussagen verschiedener Fachmänner und Experten zu den vielbeschworenen grossen Krisen kommen. Deshalb ist es für uns so bedeutsam, die Zukunftsvisionen zu intensivieren, aktiv zu werden und uns in der tatsächlichen Zukunftsgestaltung zu engagieren.
Ihr setzt darauf, dass jeder seinen Teil dazu beitragen soll, so wollt ihr neue Anreize setzen. Wäre es nicht sinnvoller, auf einer systemischen Ebene zu intervenieren, als einfach das Individuum und seinen beschränkten Handlungsspielraum ins Zentrum zu schieben und ihm die Verantwortung zu übergeben. Oft entsteht ja erst in der Interaktion vieler Akteure ein Wandel, welcher sich nicht unbedingt auf die einzelnen Personen und ihre Anreize runterbrechen lässt.
Eben genau deswegen, weil sich jeder beteiligen kann, führt dieser aktuell stattfindende Bewusstseinswandel an vielen Stellen gleichzeitig zur Entstehung einer neuen Weltmacht: Der globalen Zivilgesellschaft. So benannte die New York Times die weltweiten Zivilbewegungen erstmals als eine «Dritte Weltmacht» – stark genug, um globale Veränderungen zu bewirken. Wir sind bereits vernetzt und die internationale Zivilbewegung gilt mittlerweile als stärkste und grösste soziale Bewegung in der Menschheitsgeschichte. Entgegen der aktiv gelebten Wachstumsrücknahme, wächst diese Bewegung in exponentieller Weise und umfasst viele Millionen Organisationen weltweit. Wir sind dabei, politische Konzepte umzuschreiben und eröffnen uns neue Perspektiven für einen zukunftsfähigen Lebensstil. Lokale und globale Modellprojekte zeigen längst auf, dass eine «andere Welt» möglich ist. «Danach» möchte diese Lösungsansätze, Initiativen und Ideen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen und die Akteure aktiv vernetzen, um die Bewegung zu stärken.
Wie unterscheidet ihr euch von den anderen Initiativen und Organisationen im Bereich Nachhaltigkeit?
«Danach» macht Umweltbewegungen mit Konzepten und Ideen vertraut, wie wir das Geldsystem und die Wirtschaft umbauen können; solches hat zumindest in der Schweiz noch keine Organisation lanciert. Des Weiteren beraten und vermitteln wir Akteure und Organisationen in Fragen rund um ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit und fokussieren uns auf die Netzwerkarbeit und -gestaltung.
Aktuell ist der Begriff Sharing sehr trendy, siehe beispielsweise die Idee der Sharing Economy. Unterscheidet sich, und falls ja, wie unterscheidet sich eure Vision von den aktuell populären Proponenten der Sharing Economy wie Uber oder Airbnb?
Sharing-Konzepte können dazu beitragen die Geldabhängigkeit zu reduzieren, somit die Arbeitszeit zu senken, die Industrie zurückbauen und uns um unsere Mitwelt kümmern. Durch das Teilen und Schenken werden wir weniger konsumieren und können mehr Zeit in die lokalen Strukturen investieren. In Transition Towns, Do-it-yourself Kulturen, Repair Cafés, Fab- und Hacker-Labs wird bereits praktiziert, wie ein Danach aussehen könnte.
Ihr sprecht es nicht an, aber um eine Selbstversorgung zu ermöglichen, braucht es neben lokalen physischen Ressourcen auch Wissen. Welche Rolle spielt Wissen in eurer Vision? Wie wird garantiert, dass das benötigte Wissen beispielsweise für die genannten lokalen Produktionsprozesse verfügbar ist? Zu welchen Bedingungen und wie?
Als gutes Beispiel dient die Open Source Ecology (OSE), eine Bewegung, welche auch in Deutschland aktiv ist und in der Schweiz demnächst geboren wird. Die Landwirte, Ingenieure und andere Unterstützer, die sämtliche Gerätschaften, Maschinen und Werkzeuge herstellen, stellen dem Netzwerk ihr ganzes Wissen frei zur Verfügung – ganz im Sinne der Open Source Bewegung. So entsteht ein Kompetenzpool aus Knowhowträgern und versierten Profis, welche innerhalb der Bewegung durch Workshops und Crashkurse das Wissen praktikabel anwendbar vermitteln kann. Das bereits entwickelte Global Village Construction Set soll es erlauben, in Modulbauweise fünfzig verschiedene Landgeräte herzustellen. Mehrere Gruppen quer durch die USA und in anderen Ländern entwickeln damit Baupläne. Nun liegt es an uns, diese Idee weiter zu tragen und lokal aktiv zu werden.